Oft unterwegs im Wald von Motovun: Trüffeljäger Ivica Tikel und Dick, Trüffelhund in Ausbildung.

Foto: Tobias Müller

Agroturizam Tikel, das Trüffelparadies.

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Die Knolle kostet hier die Hälfte von dem, was der Großhändler im Tal verlangt.

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Das Paradies liegt ein paar Kilometer hinter Rakotule. Das wiederum liegt an der Straße nach Karojba. Die man erreicht, wenn man die Autobahn nach Pula bei Visnjan verlässt. Dann geht's immer geradeaus, durch Bencani und Barici, nach einer Kurve scharf links, dem schmalen Holzpfeil "Agroturizam Tikel" nach, durch das erste Dorf, die schmale Straße ins Tal hinunter, vorbei an einigen Höfen und um die Kurve, von der aus man so einen großartigen Blick über die Hügel und die Stadt Motovun hat. Nach einem kurzen Waldstück kommt ein kleiner Weingarten und nochmals zwei Häuser. Wer jetzt noch nicht überzeugt ist, sich völlig verfahren zu haben, und umdreht, der kommt nach einigen hundert Metern endlich zu Ivica Tikels Hof.

Ivica ist das, was man in dieser Ecke Istriens einen Trüffeljäger nennt, und Herr über das, was man ein Trüffelparadies nennen könnte: In seinem Heurigen verkauft er die Knolle zur Hälfte des Preises, die der berühmte Großhändler einige Dörfer weiter im Tal verlangt. Wer von seinen Trüffelteller in Ivicas Stube aufschaut, blickt weit über das istrische Hinterland: Hügel, Wein, Olivenhaine, dazwischen mittelalterliche Dörfer. Und wer möchte, den nimmt Ivica vor dem Verspeisen gern mit auf die Trüffeljagd.

Nicht weit von seinem alten Steinhaus liegt der Wald von Motovun. 15 Kilometer zieht er sich am Fluss Mirna entlang, kaum einen Kilometer breit, ein kleiner Streifen Dickicht mit morastigem Boden, Haselsträuchern und hohen Eichen. Im feuchten Herbst erinnert er fast ein wenig an die Donauauen. Das unscheinbare Unterholz ist die Heimat des teuersten Pilzes der Welt: der weißen Trüffel.

Sabbernde Pilzschnüffler

Viel näher an Perfektion ist die Natur nicht gekommen. Wer weiße Trüffel einmal wirklich frisch gekostet hat, wird danach süchtig. Schon der Geruch einer aufgeschnittenen Knolle verwandelt den hungrigen Heurigengast in einen sabbernden Pilzschnüffler. Tragisch, dass sie keine langen Lagerzeiten verträgt und daher mit jedem Kilometer an Zauber verliert, den sie sich vom Motovuner Wald entfernt.

Weil der Trüffel nicht viel hinzuzufügen ist, ist Ivicas Speisekarte begrenzt. Neben Karstschinken, Käse und selbstgebackenem Brot gibt es vor allem Trüffeln mit Ei oder Nudeln, und wenn wer in der Gegend gerade ein Wildschwein geschossen hat, dann gibt es auch Trüffeln mit Fleisch. Für die Nudeln schäumt Ivicas Schwester Mariana Butter kurz auf und raspelt ein wenig Knolle hinein, dann gießt sie die Mischung mit Rahm und jungem Hartkäse über die dampfende Pasta. Sie empfiehlt hausgemachte Gnocchi oder Pljukanci, das kroatische Pendant zur Schupfnudel, weil beide die cremige Sauce gut saugen. Anschließend wird der Trüffelhobel geschwungen, bis von der Pasta kaum mehr was zu sehen ist. Bezahlt wird nach Gramm, ein Teller kostet keine zwölf Euro. Wer will, der sucht sich selbst eine Knolle aus und schwingt eigenhändig den Hobel. Vorsicht: Bei Trüffel dieser Güte kann weniger mehr sein.

In guten Trüffeljahren geht Ivica viermal pro Woche auf die Trüffeljagd - mit Hund statt Schwein, das Borstentier ist aus der Mode gekommen. Es sucht die Knolle nämlich nicht nur, es frisst sie oft selbst auf. Zwar hat auch der Trüffelhund Appetit auf die Kostbarkeit, er ist aber leichter zu bändigen. Die Saison dauert von September bis Dezember, im Sommer wuchert nur die schwarze, der weißen günstiger Cousin.

Das letzte richtig fette Trüffeljahr

Der Trüffeljäger schlendert gemächlich kreuz und quer durch den Wald und achtet dabei auf den Schwanz seines Hundes: Wedelt dieser wild, während die Schnauze im Boden steckt, ist es Fehlalarm - das Tier hat bloß ein Mauseloch entdeckt. Nur wenn der Schwanz gestreckt stehen bleibt, ist der Hund auf den Edelpilz gestoßen.

An manchen Tagen tummeln sich schon einmal 100 Jäger mit ihren Tieren im kleinen Wald von Motovun, die allermeisten betreiben die Suche als Hobby. "Wer nur von der Trüffeljagd lebt, lebt schlecht", sagt Ivica. Er vermietet noch Zimmer, baut Wein an und Oliven. Früher, als dieser Teil Istriens noch zu Jugoslawien gehörte, da lohnte sich die Knollensuche. Die Preise für den Pilz waren ähnlich hoch wie heute, die Kunden kamen großteils aus Italien. Lire verdienen, Dinar ausgeben war ein lukratives Modell. In einem gutem Sommer, erzählt Ivica, konnte man mit Pilzgeld ein Haus bauen und ein neues Auto kaufen. Heute reicht es eher für einen neuen Fernseher. Und noch etwas macht den Jägern zunehmend zu schaffen: das Wetter.

Das letzte richtig fette Trüffeljahr erlebte Istrien 2009, seither waren die Saisonen schlecht. 2012 ist eine Katastrophe: Die weiße Trüffel braucht Regen im Mai und im August, um ihr Myzel erfolgreich zu entwickeln, heuer aber hat es fast ein Jahr lang nicht geregnet in der Gegend. Ähnlich trocken blieb es auch in den Sommern davor. "Vielleicht der Klimawandel", sagt Ivica. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob auch die Trüffel aus dem Paradies vertrieben wird. Ihn würde es gar nicht so stören - Ivica schmeckt die Trüffel nämlich nicht. (Tobias Müller, Rondo, DER STANDARD, 9.11.2012)