Eines muss man ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz lassen: Dass der ORF sparen muss, ist jetzt europaweit bekannt. Seit der Ankündigung, dass die Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt und damit der Ingeborg-Bachmann-Preis durch die ORF-Sparmaßnahmen gefährdet sind, vergeht kaum ein Tag ohne öffentlichen Protest. Bisherige Teilnehmer des Wettbewerbs und Preisträger sowie Verleger melden sich zu Wort.

Zuletzt Uwe Tellkamp, der in der Süddeutschen Zeitung auf die Diskrepanz zwischen dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Realität hinwies: "Das öffentlich-rechtliche Fernsehen fördert Busen-Shows und sonstige Spaßvögel. Nichts dagegen. Aber Bildungsauftrag meint auch, sich Fragen zu stellen."

Wer die vom TV-Sender 3sat übertragenen Auftritte der Nachwuchsliteraten in den vergangenen Jahren verfolgt hat, wird zustimmen, dass nicht jede Schriftstellerin, jeder Autor zum Showstar taugt. Gleiches gilt aber auch für Darsteller in diversen Modelshows und den Dancing Stars -Wettbewerben im ORF.

Als Castingshow für die Literatur hat Klagenfurt wichtige Bedeutung. Denn Literatur braucht Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit, was das Wettlesen in Klagenfurt seit 1977 bietet. So wie bei Kochshows im Fernsehen der Entstehungsprozess verfolgt werden kann und durch die Gespräche über Kulinarisches Geschmacksbildung erfolgt, so ermöglicht dieses Lesefestival literarische Urteilsbildung. Es gibt dabei magische Momente, die zeigen, wie sehr Literatur in den Bann ziehen kann.

Entdeckung von Talenten

Die Klagenfurter Bühne ermöglichte die Entdeckung von Talenten, die sich häufig zu Stars der Literaturszene mausern. Uwe Tellkamp, bekannt durch seinen inzwischen vom TV verfilmten Roman Der Turm, ist ein Beispiel. Inge Schulze, Jenny Erpenbeck und Thomas Hettche sind erstmals in Klagenfurt einer breiteren Öffentlichkeit aufgefallen. Arno Geiger wurde in Kärnten von seinem Verlag entdeckt.

Den Stellenwert von Literatur und Lesen hat der Schriftsteller Karl-Markus Gauß vergangene Woche in einem im STANDARD veröffentlichten Beitrag in einen Satz gefasst: "Wo die Dummheit zum Bildungsideal geworden ist, da hat es die Literatur schwer."

Projektpartner wie die Stadt Klagenfurt und das ORF-Landesstudio Kärnten waren von der Ankündigung des ORF-Generals überrascht. Vielleicht wollte Wrabetz gar nicht die deutschsprachige Literaturszene auf-, sondern die Politszene erschrecken. In den vergangenen Monaten hat Wrabetz gedroht, das Radio Symphonieorchester, das Radiokulturhaus, FM4 etc. zuzusperren oder Mittel für österreichische Filmproduktionen zu kürzen.

Das Ziel: Druck zu machen, damit der ORF weiteres Geld vom Steuerzahler bekommt. Zwischen 2010 bis 2013 erhielt der ORF als Ersatz für den Entgang durch Rundfunkgebührenbefreiungen insgesamt 160 Millionen Euro. Obwohl diese Mittel an Auflagen wie Programminnovationen gebunden waren, wird etwa der auf Kultur und Information spezialisierte Kanal ORF III weiter kurz gehalten.

Da sich Bedrohungen abnutzen, wenn man sie häufig wiederholt, hat Wrabetz das Klagenfurter Lesefestival der Erpressungsliste hinzugefügt. Jetzt hat er den provozierten Aufschrei. Wie beim Golan-Rückzug zeigt sich die Provinzialität österreichischer Potentaten. Wrabetz blamiert sich, den ORF und Österreich. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 29./30.6.2013)