"Das Schwein ist das am höchsten entwickelte aller Tiere" sagt der Züchter "und den Menschen fällt nichts anderes ein, als es einzusperren."

Foto: Heribert Corn

Früher einmal war Heinz Carl Gerstner Kaufmann und betrieb in Graz mehrere Kindermodengeschäfte. "Ich bin gläubig", gesteht er, "als die Geschäfte nicht mehr so gut liefen, dachte ich, dass Gott mich nicht mehr liebt und mir C&A und H&M schickt, um mich zu bestrafen." Heute sieht der Vater von sieben Kindern den Angriff durch die Modeketten immer noch religiös - allerdings im Sinne einer Erlösung. Sie waren der Grund, dass er auf Bauer umsattelte, um die Permakultur im Allgemeinen und die Freilandhaltung von Schweinen im Besonderen zu seiner Berufung zu machen. Auf seinem "Sonnhof" bei Stiwoll lebt und wirtschaftet er nach diesem Prinzip, in dem "gestaltete Lebensräume als Systeme aufgefasst werden, in denen das Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen rücksichtsvoll so miteinander kombiniert wird, dass die Bedürfnisse aller Erfüllung finden".

Das mag kompliziert klingen, Gerstners Schweine aber dürfen infolge des permakulturellen Einsatzes ihres Züchters ein Leben genießen, das als geradezu erhaben gelten darf - speziell im Vergleich zu jenem der meisten Artgenossen. Gerstner baut Streuobst, Kräuter, Getreide an und verfüttert alles an seine Schafe, Perlhühner, Gänse und Schweine. Konkret ist es eine Herde von über zweihundert Weideschweinen, ungarische Mangaliza und Turopolje aus Kroatien. Die Tiere verbringen das ganze Jahr im Freien. "Das Schwein ist das am höchsten entwickelte aller Tiere" sagt der Züchter "und den Menschen fällt nichts anderes ein, als es einzusperren." Nicht so am Sonnhof. Lediglich ein paar kleine Holzhütten dienen den Säuen als Unterschlupf, wenn sie werfen.

Wildlebenden Vorfahren

Dazwischen rennen Hühner und Perlhühner, die von den Schweinen ignoriert werden. "Andere Schweine würden die Vögel reißen, aber meine bekommen nie Fleisch oder Küchenabfälle, darum ahnen sie gar nicht, dass sie die fressen könnten", so Gerstner. Im Winter bekommen die Tiere Gerste und Heu und graben Wurzeln aus. Ein Trieb, den sie sich von ihren wildlebenden Vorfahren bewahrt haben. Auf diese Art pflügen sie auch den Boden um. Im Frühling säen Gerstner und seine Helfer aus. Es wird mit Heu abgedeckt, dann dürfen die Schweine zum Fressen auf das Feld. Die Helfer kommen zum Großteil aus der Stadt und sind Jugendliche mit Integrations- oder Drogenproblemen. "Auch das ist Permakultur", erklärt Gerstner.

Getötet werden die Tiere ausschließlich in zwei bio-zertifizierten, human schlachtenden Höfen in Weiz und im Raabtal. Der Preis, den Gerstner erhält, liegt in etwa ein Drittel über dem von "normalem" Bio-Schweinen. Ein Preisunterschied, der allerdings nicht an den Endverbraucher weitergegeben wird. Die steirischen Fleischereien Harger und Kranzelbinder verkaufen nicht nur Frischfleisch, sondern produzieren auch Schinkenspeck, schneeweißen Lardo, Würste und Salami aus den Schweinen. Ab Oktober kann man Hargers Produkte auch in Wien kaufen - in den Filialen des Biomarktes Maran. Auch der Beinschinken-Produzent Thum in Wien-Margareten arbeitet mit dem Fleisch der Tiere.

Durch die ehemalige Landeshauptfrau Waltraud Klasnic - sie war vor ihrer Politkarriere Angestellte in Gerstners Kindermoden-Betrieb - traf Gerstner auch einmal den Dalai Lama. "Er sagte mir drei Worte, nach denen zu leben ich trachten sollte: Respekt, Dankbarkeit und Disziplin", erzählt er noch heute mit Begeisterung. Insofern sind Liebhaber von wirklich gutem Schweinefleisch dem geistigen Führer der Tibeter zu Dank verpflichtet. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/21/08/2008)