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Früh heiraten, Kinderkriegen und daheimbleiben war in den 1950er Jahren die gesellschaftlich erwünschte Norm.

Foto: H. Armstrong Roberts/ClassicStock/Corbis

Wien – Höher gebildete Frauen bekommen seltener Kinder. Trotzdem hat die Zunahme von höherer Bildung im 20. Jahrhundert weniger Einfluss auf den Geburtenrückgang gehabt als bisher angenommen, zeigt eine aktuelle Studie von Forscherinnen um Eva Beaujouan vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die Untersuchung ist im Journal "Population Studies" erschienen.

Beaujouan, Zuzanna Brzozowska und Krystof Zeman haben für die Studie Daten der Geburtsjahrgänge 1916 bis 1965 aus 13 Ländern untersucht (Frankreich, Italien, Kroatien, Österreich, Polen, Rumänien, Schweiz, Slowenien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn, Westdeutschland). In diesem Zeitraum gab es massive Schwankungen beim Anteil der kinderlosen Frauen: Bei den Anfang des 20. Jahrhunderts geborenen Frauen war in ganz Europa der Anteil an Kinderlosigkeit auffallend hoch, vor allem unter berufstätigen Akademikerinnen. Bis zu 30 Prozent der Frauen bekamen in diesen unsicheren Zeiten (Weltkriege, Wirtschaftsdepression) keine Kinder. Österreich gehörte bei den Geburtenjahrgängen 1916 bis 1920 zu einem jener Länder mit den höchsten Anteilen an kinderlosen Frauen: Unter den Pflichtschulabsolventinnen waren es 16 Prozent, unter den Maturantinnen 23 und unter den Akademikerinnen 37 Prozent.

Gesellschaftlich erwünschte Normen

Bei den etwas später, bis 1940 Geborenen kam es trotz der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Unterschiede in allen untersuchten Ländern zur Trendwende: Hohe Einkommen der Männer ermöglichten den Frauen daheimzubleiben, frühes Heiraten und Kinderkriegen wurden die gesellschaftlich erwünschte Norm. Ab den 1960ern stieg der Anteil an Kinderlosen im Westen allerdings wieder und lag dann zwischen zehn Prozent (Griechenland, Spanien) und 20 Prozent (Westdeutschland). In den deutschsprachigen Ländern begann die Kinderlosigkeit sogar früher und schneller als in den anderen Staaten wieder zu steigen.

In Österreich landete sie laut Geburtenbarometer nach 1965 über alle Bildungsschichten bei 17 Prozent. Anders die Entwicklung im Osten: Hier gab es bis zum Zerfall der Sowjetunion wesentlich weniger kinderlose Frauen als im Westen, wurde Fortpflanzung doch als Pflicht eines jeden loyalen Bürgers propagiert.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

In die untersuchte Periode (1916-1965) fällt eine deutliche Verschiebung bei den Bildungsabschlüssen von Frauen: Ab den 1940er- und frühen 1950er-Geburtenjahrgängen gab es erstmals mehr Absolventinnen der Sekundarstufe II (etwa Lehre, Matura) als Pflichtschulabsolventinnen, auch der Anteil an Akademikerinnen wuchs leicht. Diese Verschiebungen haben auch zu einer Veränderung der Geburtenraten geführt, allerdings nicht so stark wie erwartet: "Der massive Anstieg der Bildungsbeteiligung hatte einen überraschend geringen Einfluss auf die Veränderungen beim Anteil an Kinderlosigkeit", heißt es in der Studie. Viel wichtiger als die Veränderungen bei der Bildungsbeteiligung war demnach der veränderte Anteil an kinderlosen Frauen innerhalb der einzelnen Bildungsgruppen (Absolventinnen der Pflichtschule, der Sekundarstufe II, Akademikerinnen).

Als Grund vermuten die Forscherinnen, dass alle Frauen bei ihrer Familienplanung von den kulturellen und sozioökonomischen Veränderungen betroffen waren: Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Weltkriegen machte es unabhängig vom Bildungsabschluss leichter, (früher) eine Familie zu gründen. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften machte Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf einfacher, dazu kam im Osten die offensive Förderung von Familien. Die deutschsprachigen Länder bilden in der jüngsten untersuchten Kohorte auch hier eine Ausnahme: In ihnen blieben Familie und Beruf unabhängig vom Bildungsabschluss schwer vereinbar. Nicht nur Akademikerinnen, auch Absolventinnen der Sekundarstufe II blieben hier eher kinderlos als Pflichtschulabsolventinnen. (APA, 23.8.2016)