Kurz und Poposki im Februar in Skopje. Damals ging es darum, die Schließung der mazedonischen Grenze für Flüchtlinge voranzutreiben.

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Man arbeitet in Wien in einem internationalen Unternehmen mit Tochterfirmen auf dem Balkan. Man teilt sich das Bürozimmer mit einer sehr fähigen Kollegin aus Mazedonien. Mit einem weiteren mazedonischen Kollegen aus der anderen Fachabteilung ist man ständig in Kontakt. Man redet natürlich über Politik und weiß Bescheid über das autoritäre Regime in Mazedonien, über die Regierungspartei VMRO-DPMNE, deren Ministerpräsident Nikola Gruevski die Telefonate von Oppositionspolitikern illegal abhören ließ. Man weiß, dass die mazedonische Regierung es seit einem Jahr nicht zustande bringt, freie und unabhängige Wahlen durchzuführen. Und dass sie sich deswegen schon etliche Rügen von der EU und Kommissar Johannes Hahn eingefangen hat. So weit so klar.

Dann sitzt man am Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit im Zug und bekommt ein Video zugespielt, in dem der österreichische Außenminister Sebastian Kurz auf einer Wahlveranstaltung der VMRO-DPMNE die Politik der mazedonischen Regierung in allerhöchsten Tönen lobt und Mazedonien auf dem richtigen Weg in Richtung EU sieht. Und da staunt der Zugreisende dann gewaltig. Der letzte Bericht der EU lautete ganz anders.

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Gewagte Rechtfertigungsargumentation

Den Medien gegenüber wurde der Auftritt von Sonntagabend heruntergespielt. Kurz sei doch nur als Repräsentant der Schwesterpartei ÖVP aufgetreten. Was insofern eine sehr gewagte Argumentation ist, als er doch vor zehntausenden Parteigängern ausdrücklich als österreichischer Außenminister und "einer der herausragenden Außenpolitiker Europas" begrüßt wurde.

Und der Zugfahrer wundert sich weiter. Ihm fällt das ÖVP-Programm mit den christlich-sozialen Werten ein. Er denkt an das Bekenntnis zu Europa mit seinen demokratischen Werten. "Europapartei ÖVP" hieß es ja einmal. Wie hat es denn die ÖVP nun mit alledem? Nicht mehr so wichtig, wenn einer die Grenzen schließen und Kanzler werden will?

Und dann schämt sich der Zugreisende, als er ins Büro kommt und so nett von der lieben Kollegin aus Mazedonien begrüßt wird. (Markus A. Gaßner, 29.11.2016)