Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, hält Zugangsbeschränkungen nicht für sozial selektiv – sofern sie richtig gemacht werden

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STANDARD: Zeitgleich mit Ihrer Wiederbestellung beschließt die Regierung die Neuaufstellung der Uni-Finanzierung mit einem um 1,35 Milliarden Euro höheren Budget bis 2021. Ein doppelter Grund zu feiern?

Engl: Es ist der Grund zu feiern für die österreichischen Universitäten. Das ist das erfolgreiche Ende eines längeren Prozesses, der noch mit Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) besonders intensiv geführt wurde – in enger Kooperation mit den Unis. Damit werden wir einerseits so investieren können, dass die Studienbedingungen in Fächern, in denen sie nicht ideal sind, verbessert werden. Andererseits können wir die Mittel nutzen, um in der Forschung am Ball zu bleiben.

STANDARD: Wo wird die Uni Wien vorrangig investieren müssen?

Engl: Eigentlich überall. In den stark nachgefragten Studien – und dort, wo wir in der Forschung schon jetzt Weltklasse sind, aber Investitionen brauchen, um es zu bleiben. Etwa in der Quantenphysik oder der Biologie. Die Hauptinvestitionen werden in neue Fächer gehen, wo sich Disziplinen vernetzen. Ein Beispiel, wo in Kooperation mit der Medizin-Uni beides abgedeckt wird, ist die geplante Professur für Computational Medicine. Sie verbindet Informatik, Mathematik und datengetriebene Methoden mit klinischer Medizin.

STANDARD: Wieso ist jetzt gelungen, was die Unis schon lange fordern?

Engl: Die Politik hat unsere Wünsche in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr als Jammern gesehen, sondern als Herausforderung betrachtet. In der Theorie hatte noch jede Bundesregierung zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für tertiäre Bildung in ihrem Programm. Wir haben derzeit ungefähr 1,2 Prozent. Es war also klar, hier muss man investieren. Wir als Uni Wien wollen uns mit der Uni in München vergleichen. Oder mit der Uni Zürich – nicht mit der ETH, das wäre unrealistisch. Aber auch zu den beiden anderen Institutionen gibt es einen großen Gap: Die Uni München hat pro Studierenden etwa doppelt so viel Geld, die Uni Zürich fünfmal so viel.

STANDARD: 510 "neue Millionen" soll es zur Verbesserung der Betreuungsverhältnisse geben. Wie viele zusätzliche Professuren kann die Uni Wien damit ermöglichen?

Engl: Für die nächsten drei Jahre sind etwa 40 zusätzliche Professuren vorgesehen – mit Personalausstattung, mit Geräteausstattung. Dazu braucht man auch Raum. Man kann nicht einfach 40 zusätzliche Arbeitsgruppen in bestehenden Räumen unterbringen.

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STANDARD: Werden Sie dafür Gebäude anmieten?

Engl: Kurzfristig wird das nur durch Anmietung gelingen – als Zwischenlösung. Mittelfristig ist etwa das alte WU-Gebäude ein Hoffnungsgebiet der Uni Wien. Oder die Vorklinik der Medizinuniversität, sobald diese in ein neues Gebäude zieht. Wir brauchen innerhalb der nächsten drei Jahre ungefähr 10.000 Quadratmeter Nettofläche zusätzlich.

STANDARD: Besonders überlaufene Fächer können künftig standort-autonom Zugangsbeschränkungen einführen. Wird die Uni Wien das für Chemie nutzen?

Engl: Die Uni Wien wird das für Chemie nutzen müssen! Und zwar deshalb, weil wir – möglicherweise infolge der Medizinzugangsbeschränkungen – einen massiven Anstieg der Chemieanfängerinnen und -anfänger in den vergangenen Jahren hatten: von ungefähr 250 auf 700. Und Chemie ist ein Fach, in dem aufgrund strikter Bestimmungen maximal zehn bis zwölf Leute in einem Labor sein dürfen. Trotz intensiver Nutzung der Labore, auch in den Ferienzeiten, können wir derzeit nur rund 250 Studierende durch die Anfängerlabore vernünftig bringen und nicht 700. Das ist für die Studierenden nicht verkraftbar. Auch hier planen wir eine Gebäudeerweiterung.

STANDARD: Haben Sie bereits ein Konzept in der Schublade, wie ein solches Zulassungsverfahren aussehen kann?

Engl: Nein, das wird in den nächsten Monaten entwickelt werden.

STANDARD: Wie hoch wird der Rückgang der Studienanfänger an der Uni Wien sein?

Engl: Wir haben analysiert, wie die Anfängerzahlen in den Studien, die wir in Zukunft beschränken können, ausschauen. Da ist die überraschende, aber zugleich auch beruhigende Erkenntnis: Die zukünftigen Zugangszahlen werden ungefähr in derselben Höhe liegen wie die aktuellen, wenn man die sogenannten "no-shows", also diejenigen, die nie auch nur zu einer Prüfung angetreten sind, subtrahiert. Natürlich, es handelt sich um eine Entscheidung zu einem anderen Zeitpunkt.

STANDARD: Kritiker sagen, die neuen Zugangsbeschränkungen öffnen sozialer Selektion Tür und Tor.

Engl: Unsere Untersuchungen über Studien, die schon bisher zugangsbeschränkt waren – etwa die Psychologie -, zeigen, dass die Aufnahmeverfahren nicht sozial selektiv waren. In der Medizin ist es möglicherweise anders, das ist aber nicht unser Thema. Wir brauchen Fachleute, die uns dabei helfen, Tests zu entwickeln, bei denen es nicht darauf ankommt, ob jemand aus einem bildungsnahen Milieu kommt oder nicht.

STANDARD: Zahlreiche Uni-Professorinnen und -Professoren haben vorige Woche anlässlich der Liederbuch-Affäre rund um den freiheitlichen Spitzenkandidaten in Niederösterreich, Udo Landbauer, einen offenen Brief an die Regierung verfasst. Warum haben Sie nicht unterschrieben?

Engl: Ich habe einen anderen Brief unterschrieben, nämlich eine Petition an den Herrn Landbauer, zurückzutreten. Und ich habe eine Stellungnahme zum Thema Antisemitismus, auch über Schuld und Aufarbeitung von und durch die Uni Wien, veröffentlicht.

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STANDARD: Den Brief wollten Sie nicht unterschreiben?

Engl: Es gab eine Passage, die man als Rücktrittsaufforderung an den Wissenschaftsminister verstehen konnte. Gemäß dem Wunsch der Unterzeichner dürfte er nicht mit jemandem zusammenarbeiten, in dessen Büros Burschenschafter beschäftigt sind – das wollte ich nicht mittragen, weil es dazu wegen dieser Einzelaffäre keinen Anlass gab.

STANDARD: Ein schlagender Burschenschafter als Unirat, ginge das?

Engl: Wir werden sehen, ob es dazu kommt. Das kommt darauf an, ob diese Person jemals Äußerungen getroffen hat, die an einer Universität nicht akzeptabel sind. Das wird sicherlich genau untersucht werden. Ich hoffe, dass die nächsten Uniräte so sind, dass wir als Universität gut mit ihnen zusammenarbeiten können.

STANDARD: Aber das Faktum, Mitglied einer schlagenden Burschenschaft zu sein, reicht für eine Ablehnung nicht.

Engl: Das habe ich nicht zu beurteilen, die Bundesregierung nominiert. Wir haben letzten Endes die Uniräte zu akzeptieren.

STANDARD: Gibt es eigentlich den "Burschibummel" mittwochs an der Rampe der Universität noch?

Engl: Er ist nicht oft zu sehen. Immer mal wieder sind sie da. Der Siegfriedskopf, zu dem sie früher gepilgert sind, wurde historisch kontextualisiert. (Karin Riss, 2.2.2018)