Im Juni wurde eine Rede von Alma Zadić (Liste Pilz) von rassistischen und sexistischen Zwischenrufen von Abgeordneten der Regierungsparteien unterbrochen. Das Problem existiert – auf echte Expertise, um dieses anzugehen, wird dennoch verzichtet.

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Es gab in den vergangenen Monaten, fast ein Jahr ist es her, unzählige Reaktionen auf die ersten Tweets zu #MeToo. Jenseitige, kluge, frauenverachtende, produktive oder auch "proaktive". Im Dezember 2017, wenige Wochen nachdem Tausende Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Übergriffen und Gewalt am Arbeitsplatz und auch darüber hinaus öffentlich gemacht hatten, sprach die damalige Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger von ihrem Plan, eine Anlaufstelle für sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch im Parlament einrichten zu wollen.

"Proaktiv" wolle man mit dem Thema sexuelle Belästigung umgehen, ließ uns Köstinger wissen. Als externe Beraterin für die "Clearingstelle" wurde von Köstinger die "Machtexpertin" Christine Bauer-Jelinek geholt. Sie sollte die Stelle einrichten, die Rat und Hilfe für Betroffene, Vermittlung an andere Stellen, etwa die Gleichbehandlungsanwaltschaft, Schulungen, die Ausarbeitung eines Verhaltungskodex und Sensibilisierung künftig bieten sollte.

Feminismus oder Das Ende des Zusammenhalts

Mit Bauer-Jelinek wurde für diese Aufgabe ausgerechnet jemand geholt, der 2012 ein ganzes Buch der Kritik am "aktuellen Feminismus" gewidmet hatte. Sie schreib darin auch von der "zwanghaften Gleichverteilung", die Männer und Frauen "überfordere" und "Kinder und Alte in Betreuungseinrichtungen" zwinge. Elisabeth Köstinger wählte jemanden, der durch den "aktuellen Feminismus" den Zusammenhalt unserer Gesellschaft bedroht sieht – für eine Clearingstelle für Sexismus wohlgemerkt. Und das in Zeiten von #MeToo, in denen nun wirklich die eine oder andere Fachfrau durch echte Expertise aufgefallen wäre – und in den von der Frauenministerin budgetär beschnittenen Frauenvereinen kennt man sich auch ziemlich gut aus. Andererseits sind es auch Zeiten, wo der Einwand vorgebracht wird, mit #MeToo werde ziemlich übertrieben. Und der ist mindestens so präsent wie das eigentliche Thema. Angesichts der Quantität der Berichte von Frauen und auch einigen Männern ist das im Grunde ziemlich erstaunlich.

Es zeigt sich also vielmehr, und die Pläne zur Clearingstelle sind dafür ein hervorragendes Beispiel, dass das "Übers-Ziel-Hinausschießen" weniger das Problem ist als die völlige Unkenntnis, in welcher Richtung dieses Ziel auch nur ungefähr liegen könnte. Wir erinnern uns an die Sendung "Im Zentrum" von letzter Woche, in der Bauer-Jelinek mehr "Eleganz" bei der Abwehr unangenehmer Übergriffigkeiten einforderte.

Machtkarte Sex?

Nach Efgani Dönmez' Knie-Tweets hieß es schließlich, Bauer-Jelinek habe ein Konzept für Antisexismus-Trainings im Parlament erarbeitet, ein paar Tage später dann, diese würden nun doch nicht stattfinden und seien auch nie geplant gewesen. Bauer-Jelinek habe ihre Aufgabe, die Clearingstelle einzurichten, erfüllt, und sei nun auch nicht mehr fürs Parlament tätig. Vielleicht waren ihre Aussagen in der ORF-Sendung, Frauen könnten schließlich durch Sex die Machtkarte ausspielen, dann doch zu viel. Offiziell hatte dies aber nichts mit dem Vertragsende von Bauer-Jelinek zu tun. Aktuell sucht man nach MitarbeiterInnen für die Clearingstelle.

Was bleibt also von dieser seltsamen Episode "Antisexismus proaktiv"? Die Erkenntnis, dass in den aktuell höchsten Politikkreisen nicht einmal die leiseste Ahnung von Kompetenzen zu feministischen Themen besteht – und offenbar auch nicht, wo man nachfragen könnte. Dass bei einem sensiblen Thema wie sexuelle Übergriffe wild herumgewurschtelt wird. Und schließlich der Eindruck, ein Jahr intensive Debatte über Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe hat der Meinung nichts anhaben können, die Verantwortung für Fehlverhalten liege bei den Belästigten. (Beate Hausbichler, 19.9.2018)