Wien – Die Empörung ist groß. Zahlreiche NGOs, kirchennahe Vereine sowie Vertreter aus der Wissenschaft, der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer kritisieren die von der Regierung geplante Reduktion der Kinderzuschläge in der Mindestsicherung. Wie berichtet sind ab dem dritten Kind nur mehr fünf Prozent des Basisbetrags (863 Euro für Alleinstehende) geplant.

Einige Verfassungsrechtler sehen die Reform der Mindestsicherung skeptisch und bezweifeln, dass Einbußen bei mangelnden Deutschkenntnissen rechtlich halten werden.
ORF

"Es darf nicht egal sein, wie viele Menschen von einem Einkommen leben müssen", beklagt etwa der katholische Familienverband. Zahlreiche Wissenschafter an heimischen Universitäten, die sich mit dem Thema Mindestsicherung beschäftigen, warnen in einer Erklärung ebenfalls vor Einschnitten: "Die Mindestsicherung ist kein Polster zum Ausruhen, sondern deckt schon jetzt nur die notwendigsten Bedürfnisse und kann Armut nicht wirklich vermeiden", heißt es darin.

Mehrkindfamilien betroffen

Wie sich die türkis-blauen Vorschläge konkret in der Praxis auswirken werden, ist aber nicht ganz einfach zu prognostizieren, weil das auch davon abhängen wird, wie weit die eigentlich dafür zuständigen Länder in ihren Ausführungsgesetzen gehen. Zur Erinnerung: Um höheren Wohnbedarf abzudecken, werden sie die Möglichkeit bekommen, um bis zu 30 Prozent über die Mindestsätze hinauszugehen.

Die Koalitionsverhandler gehen aber davon aus, dass Familien mit zwei oder mehr Kindern in der Regel mit weniger werden auskommen müssen. Aufschluss darüber, um wie viele Menschen es dabei geht, liefert die Statistik Austria.

Demnach gab es im Vorjahr durchschnittlich 13.734 Bedarfsgemeinschaften mit mindestens zwei Kindern, die auf Unterstützung angewiesen waren. In diesen Haushalten lebten fast 67.000 Personen. Zum Vergleich: Insgesamt gab es 127.270 Bedarfsgemeinschaften beziehungsweise 231.390 Personen, die Mindestsicherung bezogen, wie diese Grafik zeigt.

Weniger auch für Paare ohne Kinder

Paare ohne Kinder, von denen es knapp 6.000 gab, werden ebenfalls Einbußen haben. Für sie werden die Richtsätze um zehn Prozent gesenkt, aktuell wären das 1.208 Euro.

Für alleinstehende Bezieher, von denen es zuletzt etwas über 80.000 gab, wird sich hingegen nicht viel ändern. Ihr Anspruch wird sich, wie bisher, an der Mindestpension (Ausgleichszulage) orientieren, die aktuell bei den erwähnten 863 Euro netto liegt.

Boni für Alleinerzieherinnen

Zu den Profiteuren der Reform könnten Alleinerzieher – in den allermeisten Fällen Frauen – zählen. Bei ihnen dürfen die Länder laut den Plänen der Regierung einen Bonus gewähren, der beim ersten Kind maximal 100 Euro ausmachen darf, beim zweiten 75 und beim dritten 50 Euro. Da es sich aber um Maximalwerte handelt, wird es auch hier von den Ausführungsgesetzen der Länder abhängen, ob beziehungsweise in welcher Höhe diese Boni gewährt werden.

Da es alleinerziehende Eltern noch schwerer haben, einen Job zu finden oder diesen mit der Erziehung zu vereinbaren, können sie künftig einen Bonus bekommen.
Foto: imago

Um eine zu vernachlässigende Größe geht es bei den Alleinerziehern jedenfalls nicht. Gut 19.000 Bedarfsgemeinschaften von Alleinerziehenden mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern verzeichnete die Statistik.

Detaillierte Analysen des von der Regierung angekündigten Grundsatzgesetzes sind aber nach wie vor Mangelware. Aus dem einfachen Grund, dass der Gesetzestext auch am Donnerstag noch immer nicht veröffentlicht wurde. Wie berichtet hatten ÖVP und FPÖ monatelang um die Details gefeilscht. Wie Koalitionsinsider berichten, wurde sogar unmittelbar vor dem Ministerrat am Mittwoch noch um Wordings gerungen. Beschlossen werden soll das Gesetz jedenfalls im ersten Quartal 2019. (Günther Oswald, 29.11.2018)

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