Michael Niavarani über sein Simpl: "Wir wollen Unterhaltung mit Haltung."

Foto: Jan Frankl

Im Trubel von Ibiza wäre die frohe Kunde beinahe untergegangen: Michael Niavarani, Österreichs beliebtester Komödiant, hat das legendäre Wiener Innenstadtkabarett Simpl gekauft. Auf der ältesten durchgängig bespielten Kabarettbühne der Welt (gegründet 1911), die Größen wie Karl Farkas und Fritz Grünbaum hervorgebracht hat, war Niavarani schon vor 15 Jahren zugange. Jetzt kehrt er zurück, mit einer neuen Revue, einer Parodie auf Game of Thrones und einer Fortführung der Burgtheater-Gesprächsreihe mit Harald Schmidt. Niavaranis Globe-Theater in der Marx-Halle bleibt bestehen, eine neue Shakespeare-Parodie ist in Arbeit. Einzig Ibiza, findet der 51-Jährige, wird schwer zu toppen sein.

STANDARD: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das Ibiza-Video gesehen haben?

Niavarani: In den ersten Sekunden habe ich geglaubt, dass das eine perfekte Parodie ist. Oder dass es sich um die ukrainische Version von Versteckte Kamera handelt, die dann ein bisschen entglitten ist. Aber eigentlich war ich ziemlich schockiert.

STANDARD: Das heißt, es überwog der Ärger des Staatsbürgers, nicht die Freude des Satirikers?

Niavarani: Ich bin in erster Linie Mensch und erst dann Komiker. Daher war erst mein zweiter Gedanke: Wahnsinn! Wird das viel Satire hergeben. Mit meinen Kollegen habe ich das auch sofort nachgespielt für den Fall, dass wir einmal in einem Hinterzimmer Verhandlungen führen müssen. Letztlich ist man aber auch einfach enttäuscht, dass jemand, der sich sein ganzes politisches Leben als Vertreter des sogenannten kleinen Mannes ausgibt, plötzlich aufführt wie ein Möchtegern-Milliardärsdiktator.

STANDARD: Es ist nicht leicht, das satirisch zu toppen, oder?

Niavarani: Ja, weil es sich natürlich um ein Extrem handelt. Satire hat immer eine Metaebene. Die ist hier schwer zu finden, weil die Realität schon am Plafond des Erträglichen angelangt ist.

STANDARD: Es gibt Kritik an den Methoden der Videoerstellung. Ist diese für Sie vertretbar?

Niavarani: Prinzipiell geht es um investigativen Journalismus. Wenn solche Methoden aus lauteren Motiven angewandt werden, weil es darum geht, einen Skandal aufzudecken, dann ist das legitim. Auch das Konzept der versteckten Kamera basiert ja darauf. Nicht vertretbar wäre es, so etwas aufzunehmen, um Leute zu erpressen.

STANDARD: Sie sind Shakespeare-Experte: An welches Drama erinnern Sie die aktuellen Vorgänge?

Niavarani: An das Stück, das sich am meisten mit Machtmissbrauch und Gier beschäftigt: Richard III. Wir wissen, wer Richard ist, der jüngste Altbundeskanzler der Geschichte. Er ist mit dem Meuchelmord an Mitterlehner an die Macht gelangt. Bei Shakespeare wird Richard aber in der letzten Schlacht von Henry Tudor besiegt. Wir wissen nur noch nicht, wer diese Rolle übernehmen wird. Der genialste Trick wäre ja, wenn Kurz selbst Henry Tudor ist. Auch das traue ich ihm zu.

STANDARD: Hat das Kurzzeitkanzler- und Ministerkarussell der letzten Jahre auch etwas von der Fantasyserie "Game of Thrones"?

Niavarani: Diese Machtspielchen wurden immer gespielt. Aber wir hatten nicht die Mechanismen, das in den Griff zu bekommen. Heute sind der Neid, die Gier, der Machtwille in einem Rahmen, den Verfassung und Demokratie vorgeben. Daher erleben wir glücklicherweise nur eine Lightversion von Game of Thrones.

STANDARD: Die harte Version würde wie aussehen?

Niavarani: Wenn wir den Brexit, Trump oder dieses Video hernehmen und die Emotionen, die darum entbrennen, um 150 Jahre zurückprojizieren, dann würden die USA, Europa und Österreich Krieg führen. Daher müssen wir den Menschen dankbar sein, die nach 1918 unsere Verfassung geschrieben haben. Van der Bellen hat zu Recht von der Schönheit dieser Verfassung gesprochen.

STANDARD: Das Kabarett Simpl übernehmen Sie mit einer Parodie auf "Game of Thrones". Ein Quotengarant?

Niavarani: Die Geschichte ist, dass sechs Frauen und Männer an einem Abend die ersten sechs Staffeln von Game of Thrones im Wohnzimmer nachspielen müssen, weil einer es noch nicht gesehen hat. Ich habe die Parodie das erste Mal in Edinburgh gesehen und habe mich köstlich amüsiert, ohne zuvor das Original gesehen zu haben. Mit Kenntnis der Serie ist es natürlich noch besser. Ich weiß aber gar nicht, ob es ein Quotengarant wird, denn wenn man etwas parodiert, das derart beliebt ist, ist die Gefahr groß, dass Fans enttäuscht sind.

STANDARD: Soll das Simpl wieder politischer werden? In den letzten Jahren war es recht bedeutungslos.

Niavarani: Das Simpl ist immer ein Unterhaltungskabarett gewesen und wird das auch bleiben. Es geht darum, den Menschen am Abend zwei Stunden lang eine schöne Zeit zu bereiten. Aber wir wollen Unterhaltung mit Haltung.

STANDARD: Die Kunstform der Revue gilt aber als verstaubt. Wie wollen Sie das ändern?

Niavarani: Verstaubt ist nicht die Form, sondern der Inhalt. Ich glaube, dass die Revue, das Nummerntheater, etwas extrem Modernes ist: Youtube ist nichts anderes als eine Revue, kurze Clips, die ich mir hintereinander anschaue.

STANDARD: Satiriker wie Jan Böhmermann mischen heute relevant in der Tagespolitik mit. Ist die Bedeutung von Satire insgesamt gestiegen?

Niavarani: Ja, vor allem wenn man die US-Late-Night-Shows betrachtet. Die machen politische Aufklärung. Dort ist das Credo: Schaut her, es kommen jetzt zwar drei Witze, aber eigentlich ist das alles wahr, was wir euch erzählen. Diese Funktion hatten früher die Hofnarren.

STANDARD: Mit welchen Personen würden Sie eine Satireregierung beschicken?

Niavarani: Bundeskanzler Kurz, Innenminister Kickl und Sportminister Strache. Das wäre für mich die absurdeste Regierung, die es geben könnte. (Stefan Weiss, 31.5.2019)