Außenminister Schallenberg spricht von einem "Scherbenhaufen", vor dem der Westen stehe. Für Bundespräsident Van der Bellen ist die Debatte über Abschiebungen "fehl am Platz"
Das Wichtigste in Kürze:
- Außenminister Alexander Schallenberg sprach am Dienstag von einem "Debakel" und einem "Scherbenhaufen" des Westens in Afghanistan. Er schickt ein Krisenteam nach Kabul, das sich um die 25 Österreicher mit afghanischen Wurzeln und 20 Afghanen mit Rot-Weiß-Rot-Card kümmern soll.
- Die Taliban haben eine Generalamnestie für alle afghanischen Regierungsmitarbeiter verkündet. "Sie sollten mit vollem Vertrauen in Ihren Alltag zurückkehren", hieß es in einer Erklärung.
- Deutschland, die USA und andere westliche Staaten arbeiten weiter mit Hochdruck daran, ihre Staatsangehörigen und afghanische Mitarbeiter aus Kabul auszufliegen. An einem deutschen Evakuierungsflug der Bundeswehr, der nur sieben Menschen an Bord hatte, gab es Kritik. Das deutsche Verteidigungsministerium bestätigte, dass die Taliban derzeit die Zugänge zum Flughafen kontrollieren und nur Ausländer durchlassen.
- Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR gab am Dienstag eine Empfehlung gegen Abschiebungen nach Afghanistan heraus. Die "Non-Return Advisory" schließt Asylwerber, deren Antrag abgelehnt wurde, mit ein.
- Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht Abschiebungen nach Afghanistan aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen "fehl am Platz". Eine solche Vorgehensweise stehe im Widerspruch zur in der Verfassung verankerten Europäischen Menschenrechtskonvention, twitterte Van der Bellen am Dienstag. Österreich und die EU müssten jene unterstützen, die jetzt bedroht seien. Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler äußerte sich im ORF-"Sommergespräch" am Montag ähnlich.
- Die EU-Außenminister kamen am Dienstagnachmittag zu einem virtuellen Sondertreffen zur Situation in Afghanistan zusammen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte danach, man werde Kontakt mit den Taliban aufnehmen müssen: "Sie haben den Krieg gewonnen". Diese Gespräche könnten auch die Evakuierung diverser Helfer und Staatsbürger erleichtern. Humanitäre Hilfen sollen weiterhin bezahlt werden, alle anderen Gelder der EU werden eingefroren.
- US-Präsident Joe Biden hat am Montagabend zwar Fehler eingeräumt, den Abzug der amerikanischen Truppen aber verteidigt. Die USA hätten den afghanischen Truppen "alle Werkzeuge gegeben, die sie brauchen". "Amerikaner werden und sollen nicht in einem Krieg sterben, den afghanische Truppen nicht führen wollen", sagte Biden. Er wolle "diese Entscheidung nicht an einen weiteren Präsidenten übergeben". (red, 17.8.2021)
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