Etwas mehr als 1.500 Schritte sind es vom Justiz- zum Innenministerium, und in der Mitte liegt die Hofburg, in der der ÖVP-Korruptionsausschuss tagt. Der brauchte eine Woche, um vom Justizressort ins Innenministerium zu gelangen, er bemisst seine Gehweite jedoch in Sitzungen statt in Schritten.

Und so wird diese Woche ein Tauchgang in die Tiefen jenes Ministeriums unternommen, das mit den kurzen Ausnahmen der Ära Kickl und der Expertenregierung seit dem Jahr 2000 stets in Händen der ÖVP war. Wer geboren wurde, als der damalige Innenminister Ernst Strasser begann, das Ressort zu einer Hochburg der ÖVP umzufärben, hat mittlerweile also schon maturiert, darf harten Alkohol trinken und natürlich wählen.

Erste Auskunftsperson: Franz Lang

Ein Produkt der Ära Strasser ist gewissermaßen auch Franz Lang.

Lang hatte in der Salzburger Gendarmerie Karriere gemacht. Im Jahr 2000 leitete er die Ermittlungen nach der Brandkatastrophe in Kaprun, damals wurde Strasser auf ihn aufmerksam.
2003 wechselte Lang auf die Bundesebene, ab 2008 leitete er das Bundeskriminalamt – bis zur Ernennung von Andreas Holzer im Winter 2020.
Lang hatte somit auch mit der Soko Tape zu tun, die im Bundeskriminalamt angesiedelt war und von Holzer geführt wurde.

Die Opposition sieht Lang als Verbündeten eines Netzwerks in der Justiz rund um Christian Pilnacek. Fragen wird es daher vor allem zum Umgang zwischen Soko Tape und WKStA geben. Die Ermittler und ihre Staatsanwälte kamen ja nicht besonders gut miteinander aus, Störfeuer kam auch aus den oberen Etagen im Ministerium.

Erstes Thema: Die Soko Tape

Laut Lang sei nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos "selbstverständlich" gewesen, dass die Polizei eine Sonderkommission (Soko) benötigen würde, um die Ermittlungen bewältigen zu können. Er persönlich sei dagegen gewesen, dass zwei Staatsanwaltschaften (Wien und WKStA) tätig werden, weil man "aus Erfahrung" wisse, wie schwierig das sein könne. Für die Leitung der Soko Tape habe Lang dann Andreas Holzer ausgesucht, weil der Erfahrung mit "hohem Druck" habe.

Warum war eigentlich das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) nicht tätig geworden, um die Ibiza-Ermittlungen durchzuführen? Laut Lang sei der BAK-Chef eigentlich "auf eine Einbindung vorbereitet" gewesen. Den Wunsch, das BAK zu schneiden, habe er nicht wahrgenommen.

Zweites Thema: Observationswünsche und Befangenheiten

Wollte der damalige Justizsektionschef Christian Pilnacek mit Langs Hilfe einzelne WKStA-Mitarbeiter observieren? Das legen zumindest Chats nahe. Lang wiederholte, man habe jedenfalls keine Observation eingeleitet. Wahrnehmungen zu einer Einflussnahme von Pilnacek auf Verfahren habe er nicht.

Riesenstreit gab es ja zu den zuerst anonym bei der WKStA geäußerten und dann von ihr übernommenen Vorwürfen der Befangenheit einzelner Soko-Mitglieder. Da gab Lang an, er selbst habe Holzer überprüft und keine Verwandtschafts- oder Freundschaftsverhältnisse zu Beschuldigten oder Zeugen gefunden. Daher habe keine Befangenheit vorgelegen. Er selbst sei bei der Fraktion Christlicher Gewerkschafter, sagte Lang. Zu Holzer habe er ein gutes Verhältnis, aber "Familien treffen sich nicht". Es sei nicht möglich, "Gesinnungsverhöre" bei Beamten durchzuführen, um die mutmaßliche ÖVP-Nähe von Beamten herauszufinden. "Diese an den Haaren herbeigezogenen Befangenheitsvorwürfe schmerzen mich", sagte Lang. Er schlug die Einführung einer Kommission vor, um Fragen in der Zusammenarbeit zwischen Soko und WKStA zu klären.

Zweite Auskunftsperson: Michael Kloibmüller

Fixpunkt im Ministerium war, ebenfalls mit kurzen Ausnahmen, bis 2018 Michael Kloibmüller. Er diente mehreren Ministerinnen und Ministern als Kabinettschef, fast jede Personalentscheidung ging über seinen Tisch. Nachzulesen ist das für die Jahre 2016 und 2017 in Chats aus einem Handy, das Kloibmüller mutmaßlich von Verfassungsschützern gestohlen wurde.

Thema Postenkorruption

Wegen dieser Chats wird nun auch gegen Kloibmüller und seinen einstigen Chef, den jetzigen U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP), ermittelt – gegen Letzteren bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, gegen Kloibmüller bei der Staatsanwaltschaft Wien. In sechs Fällen werden weitere Ermittlungen geprüft, eröffnete Kloibmüller dem U-Ausschuss. Zu Details entschlug er sich, allgemein seien Besetzungsvorgänge "sehr komplex", auch die Gleichbehandlung und das Beamtenministerium hätten ein Wort mitzureden, am Ende entscheide der Bundespräsident. Es gebe also viele Kontrollinstanzen.

Nicht alle Chats würden bedeuten, dass er Anliegen auch weitergetragen habe, meinte Kloibmüller. Zum Fall rund um Eva Marek und ihren Groll gegen Justizminister Wolfgang Brandstetter konnte er sich nicht mehr genau erinnern. Auch wisse er gar nicht, ob die Chats nicht manipuliert worden seien. Einsicht in seine Chats habe er bis heute nicht.

Thema Datendiebstahl

Bei der Staatsanwaltschaft Wien war Kloibmüller die längste Zeit "Geschädigter", Opfer des Diebstahls seiner Daten. Die waren im Februar 2021 von Ermittlern auf einem USB-Stick gefunden worden und später in den Medien gelandet.

Thema Vetternwirtschaft

Die Opposition thematisierte auch mehrere Konstruktionen, mit denen "befreundete" Agenturen gute Aufträge erhielten. Kloibmüller verwies in dem Zusammenhang darauf, dass eine der angesprochenen Agenturen auch für das damals rote Verteidigungsressort tätig gewesen sei. Das Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) sei sicher keine parteipolitische Veranstaltung, bei dessen Mitgliedern handle es sich um "honorige Personen aus der Wirtschaft".

Kloibmüller ist für den Nachmittag geladen, vor ihm wird der langjährige Direktor des Bundeskriminalamts befragt. (red, 10.5.2022)

Staatsanwaltschaft befragt Kloibmüller zu Personalinterventionen