336 Tage ist es her, dass sich Heinz-Christian Strache zuletzt einer Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellen musste. Heute, Dienstag, ist es wieder so weit – und erneut stehen Bestechungsvorwürfe im Raum. Worum es geht:

1. Die Angeklagten

Heinz-Christian Strache war von 2005 bis 2019 Bundesparteiobmann der FPÖ und zuletzt auch Vizekanzler, bevor er über das Ibiza-Video stolperte. Der heute 52-Jährige versuchte bei der Wien-Wahl mit seiner eigenen Partei ein Comeback, scheiterte aber. Zu groß waren auch seine juristischen Probleme: Strache wurde bereits vergangenes Jahr nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit verurteilt, eine Berufung wird heuer vor dem Oberlandesgericht Wien verhandelt. Dazu kommen einige weitere Ermittlungsverfahren, etwa im Rahmen der Spesenaffäre. Zurzeit ist Strache als Consulter tätig.

Siegfried Stieglitz ist ein Unternehmer aus Oberösterreicher, der mit Immobiliengeschäften reich wurde. Er ist gleich alt wie Strache und mit diesem schon lange befreundet. Stieglitz unterstützte die FPÖ im Wahlkampf 2017, danach wollte er "in möglichst viele" Aufsichtsräte kommen, wie er bei seiner Einvernahme erzählt hat. Schließlich landete er 2018 im Kontrollgremium der staatlichen Autobahngesellschaft Asfinag; bis ihn Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) in einer ihrer ersten Amtshandlungen im Jahr 2020 abberief.

2. Die Vorwürfe

Die WKStA wirft Strache und Stieglitz zwei Vorgänge vor: erstens eine Spende von Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion, da geht es um insgesamt 10.000 Euro. Zweitens wird eine Einladung von Stieglitz an Strache angeklagt. Der Unternehmer wollte seinen 50. Geburtstag in Dubai feiern und übermittelte dem damaligen Vizekanzler im Frühjahr 2019 eine Einladung. Strache sagte erst nach einigen Wochen aus Gründen der "Compliance" ab, die WKStA sieht das trotzdem als Korruptionsdelikt. Es genüge, wenn man sich etwas versprechen lasse.

Die Staatsanwältin sprach davon, dass Stieglitz Strache bestochen habe: Die Einladung habe nichts mit Freundschaft zwischen den beiden zu tun, sondern mit "persönlichen Interessen". Ein Teil der Spende soll an Strache weitergeflossen sein, und zwar über ein Unternehmen, das Wohnungen ankauft – da gebe es aber weitere Ermittlungen.

Dass Strache Stieglitz als "exzellenten Juristen" bezeichnet habe, obwohl der keinerlei juristische Ausbildung habe, zeige, dass es nicht um Qualifikationen gegangen sei, argumentierte die Staatsanwältin. Stieglitz habe sich das "Wohlwollen Straches erkauft", es sei um "Geld gegen Posten" gegangen.

Die Absage der Reiseeinladung durch Strache sei zu spät erfolgt, das Versprechenlassen reiche. "Die Vorschriften sind streng", sagte die Anklägerin, die auf Hofer verwies, der sofort abgesagt hatte.

3. Die Verteidigung

In ihren Einvernahmen haben Strache und Stieglitz die Vorwürfe bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung. Strache verwies darauf, dass er die inkriminierte Einladung ohnehin ausgeschlagen und außerdem eine lange Freundschaft zu Stieglitz habe. Beide weisen zudem einen Zusammenhang zwischen der Vereinsspende und Stieglitz' Berufung in den Asfinag-Aufsichtsrat von sich.

Stieglitz' Anwalt Andreas Pollak verwies darauf, dass weder Urlaubseinladungen noch Parteispenden verboten seien. Stieglitz sei als langjähriger Immobilienunternehmer bestens qualifiziert gewesen. Die Freundschaft zwischen Strache und Stieglitz sei gut dokumentiert, sie habe auch nach dem Ibiza-Video gehalten. Der Unternehmer habe immer wieder gespendet, auch für karitative Zwecke.

Strache habe er nach dessen Rücktritt angeboten, dass der sich in Stieglitz' Haus in Frankreich zurückziehen könne. Das Thema Aufsichtsrat hatte er ebendort schon 2012 mit dem damaligen FPÖ-Chef besprochen. Später habe er ihm seinen "coolen Bus" für den Wahlkampf organisiert; Strache habe auch um die Spende an den Verein Austria in Motion ersucht. Eine Gegenleistung sei "in keinster Weise" vereinbart gewesen.

4. Der Fahrplan

Am Dienstag wird der weitere Fahrplan für diesen Prozess fixiert. Klar ist, dass es zur Verlesung des Strafantrags kommen wird und die Anwälte ihre Plädoyers halten werden. Tags darauf werden dann Strache und Stieglitz befragt, bevor am Freitag die ersten Zeugen erscheinen. Darunter findet sich auch Prominenz: Geladen ist etwa der frühere Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ). (fsc, gra, 7.6.2022)

Strache-Prozess: Unternehmer Stieglitz hat "meinen Norbert und meinen Heinz-Christian eingeladen"