Die Messehalle im oberösterreichischen Wels war gut gefüllt, das Publikum gut aufgewärmt, als Karl Nehammer am späten Freitagnachmittag die Bühne betrat. Der Anlass: Der Kanzler und ÖVP-Chef präsentierte vor rund 2.000 Parteifreundinnen und Parteifreunden seinen sogenannten Österreich-Plan. Es ist eine Skizze, wo das Land im Jahr 2030 aus türkiser Sicht in verschiedenen Bereichen stehen soll. Und eine Vorschau auf die wichtigsten Forderungen, mit denen die Volkspartei ins Wahljahr geht.

In die Welser Messe gekommen waren ein großer Teil der schwarzen Regierungsmannschaft und fast alle Landeshauptleute aus den Reihen der ÖVP, aber auch Parteiprominenz von früher: von Ex-Parteichef Josef Pröll über die Ex-Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol und Benita Ferrero-Waldner bis hin zu den Alt-Landeshauptleuten Erwin Pröll, Josef Pühringer und Waltraud Klasnic.

Zum Auftakt begrüßte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer die Gäste, lobte Nehammer als Staatsmann und Umsetzer und formulierte eine Absage an "unrealistische Träumerleins mit Umsetzungsschwächen" ebenso wie an "verbitterte Hetzer". "Darum bist du der Bundeskanzler", so Stelzer, "und es soll auch kein anderer werden."

Nach einer Art Warm-up mit Staatssekretärin Claudia Plakolm, Klubchef August Wöginger und Generalsekretär Christian Stocker, die FPÖ und SPÖ attackierten, war Nehammer an der Reihe. In seiner Ansprache strich er die Themen Leistung, Familie, Sicherheit und Migration heraus – und betonte, welche Bedeutung die anstehende Nationalratswahl habe. Von Extremen und jenen, die einer "dunklen Vergangenheit" anhingen – gemeint waren die Freiheitlichen und deren Chef Herbert Kickl –, grenzte er sich ab. "Er oder ich" sei 2024 die zentrale Frage.

Forderungen im Überblick

Der "Österreich-Plan" hat eine längere Genese. Im März 2023 hielt Nehammer vor versammelter Parteiprominenz eine groß inszenierte Zukunftsrede. Sie war der Startschuss für einen inhaltlichen Prozess innerhalb der ÖVP, in dessen Rahmen Parteimitglieder sowie Expertinnen und Experten "Zukunftsthemen" ausarbeiteten. Das Ergebnis davon ist der nun fertige "Österreich-Plan".

Ein paar Kapitel und Inhalte daraus hat die ÖVP diese Woche an die Medien weitergegeben. Freitagfrüh wurde schließlich das gesamte Papier bekannt. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Steuersenkungen und Vollzeitbonus: Nehammer will den Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent senken. Auch die Lohnnebenkosten sollen reduziert werden. Ausgerechnet eine vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Studie nährt allerdings Zweifel daran, dass solche Vorschläge finanzierbar sind. Eingeführt werden soll auch ein jährlicher steuerlicher Vollzeitbonus. Demnach soll es 1.000 Euro für alle geben, die Vollzeit arbeiten.

Wartefrist für Sozialleistungen: Volle Sozialleistungen soll nur bekommen, wer sich fünf Jahre lang legal in Österreich aufhält. Das zielt auf Ausländerinnen und Ausländer ab, würde aufgrund der Gleichstellungsvorgabe praktisch aber wohl auch Inländer treffen. Statt Geldleistungen sollen etwa in der Sozialhilfe künftig allen tunlichst nur Sachleistungen ausgehändigt werden. Außerdem sollen alle Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können.

Externe Asylzentren: In Drittstaaten sollen Asylverfahrenszentren und Gefängnisse errichtet werden, in denen in der EU verurteilte Täter ihre Strafe verbüßen können. Zudem legt die ÖVP Wert darauf, dass Asylsuchenden bei ihrer Einreise mitgeführte Wertsachen abgenommen werden können. Bei Bargeld ist das jetzt schon möglich.

Überwachung: Heuer noch soll die Polizei flächendeckend mit Körperkameras ausgestattet werden, die dann auch dauerhaft das Geschehen rund um die Beamtinnen und Beamten filmen. Einmal mehr verlangt Nehammer mehr Möglichkeiten für Ermittlungsbehörden, um verschlüsselte Messenger zu überwachen.

Wohneigentum: Nehammers Ziel ist es, die Eigentumsquote von 48 auf 60 Prozent zu heben. Erreichen will er das mit einem staatlich besicherten Wohnbaukredit auf das erste Eigenheim bis zum Wert von einer Million Euro. Außerdem schwebt dem Kanzler die "Abschaffung aller Gebühren und Steuern auf das erste Eigenheim" vor, also offenbar die Streichung von Grunderwerbsteuer und Grundbucheintragungsgebühr. Außerdem will er, dass Genossenschaftswohnungen von ihren Mieterinnen und Mietern jederzeit um einen Kaufpreis erworben werden können, der sich an den bloßen Errichtungskosten orientiert und nicht am Verkehrswert – unter der Bedingung, dass die Wohnung eine gewisse Zeit selbst genutzt wird.

Leistungsgruppen und Bildungspflicht: Das Bildungskapitel, aus dem die "Kleine Zeitung" nun zitiert, sieht außerdem vor, dass am Ende der Schulpflicht eine Bildungspflicht eingeführt wird. Diese beinhaltet eine Überprüfung der Grundkenntnisse in Deutsch, Mathematik und Englisch. Und: Nehammer will an Mittelschulen wieder Leistungsgruppen einführen.

Gendern: Binnen-I, Sternchen und Doppelpunkte sollen 2030 in der Verwaltung und an Bildungseinrichtungen nicht mehr verwendet werden.
"Sinnvoll" findet Nehammer dagegen das Ausschreiben beider Geschlechterformen.

Automatisches Pensionssplitting: Die Volkspartei besteht darauf, dass es ein automatisches Pensionssplitting bei der Geburt des ersten Kindes gibt. Dies soll dazu führen, "die partnerschaftliche Aufteilung innerhalb der Familie zu erleichtern sowie Gehaltseinbußen durch Teilzeitarbeit besser auszugleichen".

Nationales Kulturgut als Gesetz: Nehammer will, dass sich eine sogenannte österreichische Leitkultur "als nationales Kulturgut gesetzlich widerspiegeln soll. Damit soll sichergestellt werden, dass Symbole und Verhaltensweisen, die unseren Grundwerten entgegenstehen, rechtlich differenziert behandelt werden können."

Nationalstadion: Die heimische Fußballnationalmannschaft soll ein neues Stadion bekommen.

Klimatickets für Unternehmen: Eine ursprünglich grüne Idee wird im ÖVP-Papier auch aufgegriffen: Für Unternehmen soll ein Klimaticket geschaffen werden, das bei Dienstfahrten genutzt werden kann.

Weitere Details aus dem Papier gibt es hier. (Stefanie Rachbauer, 26.1.2024)

Nachlese Liveticker: Nehammer ruft in Wels Duell mit Kickl aus: "Er oder ich"