Die kulturelle Dürre des Sommers vor dem "steirischen herbst" ist in Graz mittlerweile Geschichte. Und allerorts schossen in der grünen Mark die Kleinstfestspiele aus dem Boden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg besann man sich eines Besseren – und rüstete mithilfe der Befreier auf. In kultureller Hinsicht. Die Engländer, die in der Sprache der undankbaren Eltern weite Teile der Steiermark "besetzt" hielten, schielten damals voll Neid nach Salzburg, wo die Amerikaner die Festspiele wieder hochbrachten. Und schlugen ein Gegenmodell vor: die Grazer Sommerspiele.

Gesagt, getan. Rund zwei Jahrzehnte gab es nun Sommertheater. In den ehemaligen Kasematten des Schlossbergs, die nur einen Nachteil hatten: Sie besaßen kein Dach. Dadurch fielen viele Vorstellungen "ins Wasser". Und die Touristen blieben aus: Sie fuhren weiterhin lieber nach Salzburg. Selbst wenn es dort noch viel mehr regnete.

1967 kam es aber zu einer klimatischen Verschiebung: Die Sommerspiele rutschten, angereichert mit allerlei anderen Aktivitäten, in die weit beständigeren Monate September und Oktober. Was das Auftauchen des "steirischen herbstes" zur Folge hatte. Im echten Sommer hingegen dörrte die Stadt aus. In kultureller Hinsicht (abgesehen von den AIMS-Konzerten). Auch wenn es heftig schüttete.

Erst Mitte der 80er-Jahre wurde ein neues Projekt in Angriff genommen: die "styriarte" mit einem Sohn der Heimat, Nikolaus Harnoncourt, als Galionsfigur. Dann ging es Schlag auf Schlag: Jazz am Mariahilferplatz, Opernfilme im Landhaushof, Sommertheater der freien Szene, Straßenkünstler überall. Kultur findet nun allerorts statt: Musik in St. Gallen und Neuberg, Schlossspiele in Wildon und Reinthal. Die Touristen bleiben dennoch aus. (trenk)

Jazzsommer Graz

Tausend überdachte Sitzplätze, Konzerte (ab 20.30 Uhr) bei jeder Witterung und Eintritt frei: Der Jazzsommer in Graz bietet (von 11. Juli bis 24. August) am Mariahilferplatz ein gediegenes Jazzprogramm unter angenehmen Bedingungen. Da gastiert die große Sängerin Abbey Lincoln (s. Foto oben), auch Joe Zawinul ist mit seiner Syndicate-Band zugegen. Zudem erinnert die Mingus Big Band an die Kompositionen des verstorbenen Bassisten und Komponisten. Und auch George Coleman tritt wie alle anderen Künstler jeweils dreimal auf.
Infos: (0316) 80 75
jazzsommergraz.at.

Festival St. Gallen

Dieses Festival widmet sich der klassischen Musik und Crossover-Projekten (von 17. Juli bis 31. August). In diesem Jahr ist der ehrenwerte Schönberg-Chor das Kollektiv "in residence". Er beschäftigt sich unter anderem mit Johannes Brahms.
Infos: (03632) 77 14.

La Strada

Seit fünf Jahren schickt La Strada, das Festival für Straßen- und Puppentheater, internationale Theatertruppen auf die Straßen, Gassen und Plätze von Graz – und erschließt dabei mit einem qualitativ hochwertigen und unkonventionellen Programm immer neue Orte, an denen auch eingesessene Grazer und Grazerinnen ihre Stadt mit neuen Augen sehen lernen. Das Fünfjahresjubiläum wird heuer mit einer schrägen, poetischen Parade vom Stadtpark bis zur Grazer Oper mit der französischen Compagnie Transe Express eröffnet. Zum Rednerpult mutiert dabei ein Heißluftballon. Wo dieser schweben wird, bleibt eine Überraschung. Im umfangreichen Programm mit 20 Künstlern und Gruppen aus aller Welt ist für jedes Alter, jeden Geschmack und jede Gemütslage mit Sicherheit etwas dabei. 26. Juli bis 2. August.
Info: (0316) 695 580
lastrada.at.

Tanzsommer Graz

Zwei internationale Tanzkompanien gastieren noch bis 21. Juli: Das argentinische "Bahia Ballett"-Ensemble (9. – 14. Juli) sowie die spanische Flamenco-Gruppe um Rafael Aguilar (16. – 21. Juli).
Info: (0316) 80 00.

Tanztheaterfestival

Das Festival, aufgeteilt auf das Grazer Schauspielhaus und das Theater im Palais, bringt skurrile, internationale Performances: ein Männerballett aus Slowenien oder Mythologisches Tanztheater aus Russland.
Info: (0316) 32 10 34.
buehnen-graz.com
(tos, cms, afze/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2002)


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