Trotz der vielen Jahre ist er, der noch zwei Sommer lang am See das Sagen haben wird, nach wie vor ein Fan der Verbindung von Natur und Theater. Ein Gespräch mit Ljubisa Tosic zur Saisoneröffnung.Wien - Zwar hat er sich mittlerweile abgewöhnt, sorgenvoll "hinaufzuschauen" und die Stimmung der Wettergötter vor einer Seebühnen-Vorstellung zu studieren. Dennoch will man in Alfred Wop-mann eine Art Vorsokratiker sehen, einen jener Philosophen, die einst Wasser, Luft und Erde als wesentliche Naturelemente dieser Welt definiert haben. Wobei für Wopmann statt Erde das Wort Theater einzusetzen wäre.

Wiewohl er also versucht, mit Gelassenheit auf die manche Vorstellung verhindernden äußeren Einflüsse zu reagieren, so ist für ihn zweifellos die Verbindung von Natur und Theater jenes Faszinosum, das ihn als Intendanten "so lange hier ausharren hat lassen". Also seit 1983.

Es versteht sich, dass so jemand auch am Sinn der Theaterüberdachung zweifeln muss. Erstens verliere man durch sie eine gewisse Unmittelbarkeit des Erlebnisses. Zweitens geht es Wopmann auch um ein demokratisches Theater: "Ein Präservativ brauch' ma net! Man verliert da etwas, das mit dem Anfang des Theaters zu tun hat: Bitte, das war damals immer draußen. Wenn wir den Zuschauerraum überdachen oder nur die Bühne, entsteht zudem eine Zweiklassengesellschaft."

Das naturbezogene Theater verhindert indes auch auf der Bühne eine Zweiklassengesellschaft: "Es wird einem Künstler angesichts der Do- minanz der freien Natur nicht leicht fallen, sich als Star zu fühlen. Dieses Urerlebnis der Natur suggeriert einem die Frage, wie bedeutend er eigentlich ist? Das macht uns irgendwie alle gleich."

Nicht, dass Wopmann mit Stars nicht seine Erfahrungen gemacht hätte. Er hat. Und er scheint mittlerweile auf sie verzichten zu können: Der eine hatte eine reduzierte Probenzeit im Vertrag. Der andere zog ein Stimmgaberl aus der Tasche und belehrte den Dirigenten, was ein "a" zu sein hat. Einer war schon dreimal abreisebereit. Bei anderen musste man um Pünktlichkeit kämpfen.

Nerven und Gläser

"Wenn einer zu mir auf ein Glaserl Wein kommt, nur nippt und gleich wieder geht, dann brauch' ich ihn nicht. Dann trink' ich den Rest der Flasche selber aus und bin lieber mit mir allein. Ich habe auch schon Nervenzusammenbrüche von Regisseuren erlebt. Die Sänger müssen sich hier auf etwas einlassen."

Demokratisierung der Kunstform Oper: Bei diesem Punkt kann man mit Wopmann verweilen, der ist ihm wichtig: "Die Wohlhabenden sollen ruhig in die Staatsoper, nach München oder Hamburg gehen - das meine ich gar nicht herabwürdigend. Wir mit unserer Seebühne haben einfach einen anderen Zugang. Was wir machen, soll für jeden Gebildeten und Ungebildeten etwas bedeuten, ist ein musikalisches Volkstheater. Man muss es verstehen, ohne im Programmheft nachlesen zu müssen."

Natürlich muss man hier sein Dreisäulenmodell erwähnen. Neben der Seebühne (heuer ab 18. Juli die Wiederaufnahme der Bohème) ist immer auch eine Hausproduktion (ab 17. Juli Julietta von Bohuslav Martinu) im Programm. Und auf der Werkstattbühne geht es um Uraufführungen (2003 ein Stück von Georg Friedrich Haas).

Und erwähnen muss man auch, dass sein Modell extrem erfolgreich ist. Die Auslastung klopft immer an die 100 Prozent (über 60 Prozent der Besucher kommen aus Deutsch- land), was für seinen Nachfolger David Pountney (ab 2004) eine ziemliche Vorgabe sein dürfte. Wobei Wopmann meint, dass "wir zum Erfolg verdammt sind - einen echten Flop können wir uns gar nicht leisten." Bei einem Budget von 17,5 Millionen Euro kommt man auf Subventionen von 5,23 Millionen. Aber die Kostensteigerung sei enorm. Und das sei ein Problem, dass auch seinen Nachfolger beschäftigen dürfte . . .

Was der Oberösterreicher nach seiner nächsten - letzten - Saison (mit einer Neuinszenierung der West Side Story) machen wird, ist noch unklar. Klar ist für ihn, warum er aufhört; angebliche Probleme mit Präsident Günter Rhomberg seien dafür nicht verantwortlich: "Wenn die künstlerische Uhr sagt, jetzt bist im vierten Akt, brauch' ich keinen fünften. Ich habe gestalterisch alles gesagt, was ich sagen konnte. Die Zukunft? Einige Leute haben angeklopft, aber das ist in einem so vagen Stadium, dass es dreist wäre, etwas darüber öffentlich zu sagen. Und überhaupt: Ich bin bekannt dafür, dass ich am Schluss ganz was anderes mache - das hat mit einer ,Sendung' aus dem Bauch zu tun. Die Tätigkeit soll aber Merkmale haben, wie sie Bregenz hat. Und sie muss etwas mit der zeitgenössischen Kunst zu tun haben."

Also wird es vielleicht doch wieder eine Kunstarbeit mit der Natur sein, mit der Wopmann - der als Regisseur an die 70 Inszenierungen gemacht hat - schon in jungen Jahren intensiv Bekanntschaft geschlossen hat. Damals, als er aus einem Kurorchester ausstieg und auf einem Schiff der Handelsmarine als Hilfskraft anheuerte und bei Fahrten zum Roten Meer "sein episches Urerlebnis mit dem Wasser hatte". (DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.7.2002)