dieStandard.at: Frau Adami-Schrott, dieStandard.at hat Ihnen vor kurzem eine Zitrone verliehen, weil Sie in einer Presseaussendung unter anderem meinten, Chello setze „nicht auf die klassische Zielgruppe der technikversierten Internet-User, sondern verstärkt auf Frauen.“ Wie kamen Sie denn auf diese nicht sehr frauenfreundliche Aussage? Michaela Adami-Schrott: Ich möchte zunächst klarstellen, dass diese Formulierung im Interview mit Pressetext Austria in der Form nie so gefallen ist. Was ich sagen wollte ist, dass viele IT-Unternehmen, die ein technisches Produkt auf den Markt bringen wollen, das Ganze viel zu technisch für die Kunden angehen. Sinn und Zwecke muss es sein, das Kundenerlebnis in den Vordergrund zu stellen und zu sagen, das Zeug funktioniert, ich schließe es an und ich brauche mich dann nicht mehr darum zu kümmern. Die zentrale Aussage ist daher nicht "Technikversiertheit", denn Männer wie Frauen sind gleich technikversiert – da gibt es keinen Unterschied, darüber haben wir gar nicht geredet. dieStandard.at: Ihre Aussage in der Aussendung basiert also auf einem Missverständnis des Journalisten? Adami-Schrott : Ja, mir ging es um das "Technikinteresse": Wenn Sie sich unsere Zielgruppen anschauen, dann ist es so, dass die Männer nach wie vor diejenigen im Haushalt sind, die sich verstärkt darum kümmern, dass ein Internetanschluss ins Haus kommt. Auch deshalb, weil die Anbieter die Sache auf Bits und Bites und technische Details hinunterschrauben – und das ist etwas, was den meisten Männern Spaß macht. Frauen sagen: Nein, das will ich gar nicht, ich will es anschließen und 24 Stunden zum Fixpreis surfen können – und es ist arrogant von Unternehmen zu glauben, dass sich der Kunde oder die Kundin mit der Technik auseinandersetzen muss. Und das ist es, worum es mir geht: Ich will, dass wir als Chello hier einen Vorsprung schaffen können und genau das war auch meine Aussage. Ob Frau oder Mann, das will ich gar nicht trennen – ich glaube sogar, dass wir im Vergleich mit anderen Anbietern überproportional Frauen ansprechen können. Aber nicht - und das betone ich noch einmal - weil Frauen nicht technikversiert sind. Wenn ich das glauben würde, dann wäre ich nicht in dem Business, in dem ich bin. die Standard.at: Sie möchten aber bewusst die Zielgruppe Frauen und Teenager ansprechen? Adami-Schrott: Das kam gar nicht vor im Gespräch – ich habe gar nicht gesagt, dass wir mehr auf Frauen und Teenager setzen. Ich habe gesagt, dass ich vermehrt auf eine Zielgruppe zugehen möchte, die weniger Technikinteresse zeigt und sich weniger mit den technischen Details auseinandersetzt. Bei der Installation oder technischen Problemen braucht es schon einen technischen Hintergrund, um das zu können, aber natürlich nicht zum Surfen. Ich will, dass das eine absolut benutzerfreundliche Sache wird – und da ist es vollkommen egal, ob das Männer oder Frauen sind. Der Journalist von pte hat das dann in Richtung weniger „technikversiert“ gebracht – mir ging es aber wie gesagt um „technikinteressiert“ – und hat dann die Frauen ins Spiel gebracht, worum es aber gar nicht ging. dieStandard.at: Das heißt, er hat es aus seinem „Männerverständnis“ heraus umgedreht? Adami-Schrott: Ich fürchte, dass es so passiert ist. Ich bin ihm aber nicht böse, denn im Ganzen gesehen hat er den Kern im Artikel getroffen: Dass Chello eine Zielgruppe ansprechen will, der unser Produkt Vergnügen bereitet. Was in dem Artikel unglücklich gewählt war, war die Überschrift – „Frauen und Teenager als Zielgruppe für Chello“. Aber andere Medien haben es dann gottseidank umgedreht und gesagt: Chello setzt allgemein auf Spaßkunden – und genau darum geht es. die Standard.at: Wie haben Sie persönlich auf die Zitrone reagiert? Adami-Schrott: Ich habe sehr aufmerksam verfolgt, wie die Leute auf den Artikel reagieren, wie sie Chello eigentlich aufnehmen und was mich sehr gefreut hat war, dass viele die Aussagen des Artikels ohnehin richtig aufgefasst haben: Es waren einige UserInnen dabei, die selbst meinten, dass sie sich eigentlich nicht mit der Technik auseindersetzen möchten, dass es einfach funktionieren soll – und das geht in die richtige Richtung für unser Produkt. Klar sind bei Postings immer auch UserInnen dabei, die sehr persönlich werden und das hat mich dann schon ziemlich getroffen. Ich bin noch nicht so lange in dem Business, ein Unternehmen als Sprecherin zu vertreten, dass meine Haut schon so superdick wäre, dass mir das egal wäre. Ich habe mir schon gedacht: Was denken sich die Leute dabei, was wollen sie damit? Gerade in so einem qualitativ hochwertigen Medium wie dieStandard.at möchte ich mich mit Themen wie IT und Frauen auseinandersetzen können - da ging es dann aber in einen Bereich wo ich sage, das hat mit Qualität eigentlich kaum mehr etwas zu tun. Ich hätte mich auch gefreut, wenn jemand von dieStandard.at vorher angerufen und gesagt hätte: „Hei, sie haben da einen Blödsinn erzählt – worum geht es Ihnen eigentlich?“. Und wenn Sie dann den Artikel geschrieben hätten, hätten Sie gewusst, dass pte da unglücklich formuliert hat. dieStandard.at: Viele UserInnen haben sich in ihren Reaktionen darüber empört, dass sie als Frau in ihrer Position als Marketingleiterin so eine Aussage getätigt haben. Manche haben vermutet, dass da Chello als männerdominiertes Technikunternehmen eine Rolle spielt, wo man auch als Frau in einer Spitzenposition manchmal Aussagen tätigen muss, die nicht immer frauenfreundlich sind. Wie denken Sie darüber? Adami-Schrott: Sie werden jetzt lachen, aber außer dem Chef sind alle Personen in leitenden Bereichen bei uns Frauen: Wir haben eine weibliche Controllingchefin, der Vertrieb ist fest in weiblicher Hand, Marketing ebenfalls. Und unser Chef ist Amerikaner und agiert da in weiten Bereichen anders als das in Österreich üblich ist: Er geht pur nach Kompetenz, Wissen und Erfahrung, und nicht nach dem Geschlecht. Mein eigenes Team ist auch in den Schlüsselpositionen zur Hälfte mit Frauen besetzt – Kompetenz ist für mich keine Frage des Geschlechts. dieStandard.at: Das ist aber eher die Ausnahme – in weiten Bereichen sind Frauen, gerade in technischen Unternehmen, in Führungspositionen noch immer in der Minderzahl. Adami-Schrott: Ich glaube, das liegt auch daran, dass Frauen einfach ein Mut zusprechen, es doch einfach einmal auszuprobieren. Männer verstehen genauso viel oder genauso wenig davon und probieren es auch einfach. Frauen sind viel selbstkritischer und lassen sich oft davon abhalten. Aber das finde ich falsch – im Endeffekt bleibt Marketing Marketing – egal ob sie Apfelsaft oder Chello vertreiben. Wir sind längst aus einer Kundenschicht heraus, wo es nur um Hardcorefreaks geht – jeder möchte das Internet benutzen, Der Kunde mag sich nicht ein IT-Studium gönnen, um zu wissen, wie das Angebot zu nutzen ist. Und da haben Frauen einfach den Vorteil, dass sie diesen Ansatz besser umsetzen können – nur trauen sie sich, wie gesagt, einfach oft zuwenig an die Sache heran. Außerdem gibt es in diesem Bereich auch sehr viele gute Männerseilschaften und –netzwerke. Frauen sind leider oft weniger solidarisch als Männer und in diesem Seilschaftenknüpfen manchmal zu vorsichtig. Sie sind da viel zu anständig. dieStandard.at: Wenn Sie mit den Chefinnen der anderen Abteilungen zusammenarbeiten – merken Sie da einen Unterschied im Vergleich zur Zusammenarbeit in einem männerdominierten Unternehmen? Adami-Schrott: Es ist ein Unterschied, weil wir uns mehr Zeit für Diskussionen, Überlegungen, Forschungen nehmen, als das in einem männerdominierten Betrieb der Fall ist. Aber ansonsten macht es für mich wenig Unterschied – ich glaube, wir kommen immer mehr in eine Zeit, wo Kompetenz ausschlaggebend ist, und wo auch die Führungskräfte erkennen, dass es um Können geht und nicht um Geschlecht, obwohl natürlich viele Frauen in Betrieben nach wie vor genau darum kämpfen müssen. dieStandard.at: Sie kennen also selbst auch die Situation nicht, dass Frauen das tun, was die Männer an der Spitze wollen? Adami-Schrott: Nein, aber prinzipiell ist es so, dass es, egal ob sie Männer oder Frauen als Vorgesetzte haben, allgemein immer darum geht, sich einer Unternehmensmeinung zu fügen. Sie können ihre eigene Meinung zwar vertreten, und ich tue das ja auch, aber schlussendlich ist es so, dass wenn ihre Chefin oder ihr Chef zu Ihnen kommt, und die Richtung vorgibt, sie sich dem fügen müssen. Das ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Unternehmenshierarchie. Sie müssen manchmal an die Öffetnlichkeit gehen und etwas über ihr Unternehmen sagen, wo sie vielleicht als Mensch mit der Meinung nicht einverstanden sind, das ist ihr Job. Bei uns ist das aber so, dass wir, weil unser Mutterunternehmen amerikanisch ist, auch unsere Unternehmenskultur sehr amerikanisch geprägt ist – und damit haben wir großes Glück, weil es dort, wie gesagt, nicht darum geht, ob eine Meinung männlich oder weiblich geprägt ist, sondern einfach um die Fakten. Und weil wir ein sehr weibliches Team sind, wird das dann ohnehin von einem weiblichen Standpunkt aus betrachtet. dieStandard.at: Ist Gender in ihrer täglichen Arbeit ein Thema, auf das sie bewusst Rücksicht nehmen? Wird das automatisch in Projekte, Diskussionen eingebracht, weil in ihrem Team hauptsächlich Frauen sind? Adami-Schrott: Ich achte sehr bewusst bei der Führung meines Teams darauf, indem ich versuche, die verschiedenen Blickpunkte von Frauen und Männern klar zu machen. Im Marketing selber ist es insofern ein Thema, dass wir uns immer überlegen, wie Frauen und Männer ein Produkt als KundInnen sehen und aufnehmen. Und da entscheiden Frauen nach anderen Gesichtspunkten als Männer, das ist klar. Deshalb bereiten wir eine spezifische Frauenbotschaft anders auf, als wir das für Männer tun. Frauen sind in diesem Bereich kritischer – sie müssen bei Frauen durchaus mehr Argumente liefern. dieStandard.at: Und beim Kaufverhalten? Adami-Schrott: Bei den Produkten haben wir kürzlich eine Analyse durchgeführt, wie der Entscheidungsprozess im Haushalt abläuft, und wir wissen, dass es in den Familien nach wie vor so zu sein scheint, dass gewisse Entscheidungen nur von Männern getroffen werden. Frauen und Kinder beeinflussen sie aber. Was ich nicht verstehe, ist, dass nach wie der Mann derjenige in der Familie zu sein scheint, der das Konto führt und dementsprechend auch der Abonnent des Produktes ist. Da würde ich mir wünschen, dass die Frauen mehr aus dem Schatten heraustreten und selber entscheiden. Sie trauen sich die Entscheidung oft nicht zu und fürchten, dass das mit zu vielen technischen Geschichten verbunden ist. Aber das finde ich sehr schade, denn es ist nur Internet und keine hochkomplizierte technische Sache. Bei der jungen Frauengeneration merkt man allerdings, dass sich das umdreht: Sie sind absolut gleichberechtigt und setzen sich viel intensiver mit dem Thema Internet auseinander – wahrscheinlich, weil sie schon damit aufwachsen und das in ihrem Leben etwas Selbstverständliches ist. dieStandard.at: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie manchmal männliche Charaktereigenschaften annehmen oder annehmen müssen, um bestimmte Sachen durchzusetzen oder in gemischten Runden besser verhandeln zu können? Adami-Schrott: Nein, und das möchte ich auch ganz bewusst jeder Frau, die an die Spitze will, mit auf den Weg geben: Entscheidend, um in so einem Job bestehen zu können, ist, dass Sie gute Kompetenz und Ausbildung mitbringen, Erfahrung haben und sich auf sich selbst verlassen können und selbstbewusst an die Dinge herangehen. Um an die Spitze zu kommen ist in jedem Fall Selbstbewusstsein und strategisches Denken nötig: Verantwortungsbewusstsein und zu wissen, wo stehe ich heute und wo will ich morgen hin. Und dann, um gotteswillen, leben Sie ihre Frau! Frauen brauchen kein nachgeahmter Mann zu sein, um etwas zu erreichen. Männer haben ihre Vorteile und Frauen haben ihre Vorteile. Es geht um Kompetenz und Kompetenzen sind gleich, egal ob Mann oder Frau. Ich kann nur aus Erfahrung sagen, dass ich damit, dass ich mein Frausein auch an der Spitze immer lebe, nie Probleme gehabt. Ich mache es einfach und wenn es nicht funktioniert, dann ist es, weil ich es nicht kann – und nicht weil ich eine Frau bin. Wenn Sie sich starke Frauen oft anschauen, dann sehen Sie, dass Sie in den meisten Fällen kein Quäntchen ihrer Weiblichkeit aufgegeben haben – rationales Denken ist keine Frage des Geschlechts, sondern eine Frage von Wissen. dieStandard.at: Und in ihrer Erfahrung mit anderen Unternehmen, haben Sie da Frauen erlebt, die sich männlicher geben als notwendig? Adami-Schrott: Ich glaube, Frauen machen manchmal den Fehler – und das wiederum, weil sie sich zuwenig zutrauen und selbstkritischer sind – dass sie sich einfach an ein Vorbild anpassen, das vor ihnen sitzt. Und schauen Sie sich die österreichische Wirtschaft an, wieviele Männer da oben an der Spitze sitzen. Natürlich übernehmen viele Frauen, wenn sie sich mit dem Thema nicht bewusst auseinandersetzen, manchmal die Vorgehensweisen ihres Vorbildes – und das sind eben Männer, weil so viele an der Spitze stehen. Aber natürlich muss man sich da selber damit beschäftigen und sagen: Was habe ich als Frau an positiven Dingen einzubringen? Und ich glaube, Frauen haben gerade in Marketing, Vertrieb, PR große Vorteile, weil sie sensibler und intuitiver agieren. Sie haben einen großen Sinn für politische Zusammenhänge und sind viel schneller in der Auffassungsgabe – wo Männer manchmal nur die Fakten sehen, können Frauen zwischen den Zeilen lesen. Und das ist etwas, was sie absolut einsetzen und ausbauen sollten. Wenn sie sich anpassen, ist das unheimlich schade. dieStandard.at: Haben Sie erlebt, dass Frauen mehr leisten müssen, um Erfolg zu haben, oder ist das etwas, was Sie gar nicht kennen? Adami-Schrott: Frauen sind selbstkritischer und perfektionistischer. Ich brauche mir da nur mein Team, Hälfte Frauen, Hälfte Männer anschauen: Wenn eine Frau eine Präsentation für den nächsten Tag vorbereitet, wo sie weiß, da geht es um einen wichtigen Kunden, dann arbeitet sie solange daran, bis das Ganze perfekt ist. Ein Mann sagt, das ist der Standard, den ich erreichen will und hört dort dann auf. Da arbeiten Frauen manchmal auch freiwillig aus eigener Motivation heraus viel intensiver und viel länger. Und wenn sie nicht gut vorbereitet sind, dann gehen sie mit einem ganz unsicheren Gefühl zur Präsentation und machen es vielleicht zum Schluss gar nicht. Ein Mann sagt: Ich probiere es einfach, was kann mir passieren? Und das müssen Frauen auch lernen. Ich glaube aber schon, dass Frauen, um zu beweisen, dass sie dieselben Ergebnisse liefern, entsprechend oft mehr an Rundherum extra dazu einpacken müssen, als das ein Mann muss. Und sie haben ja auch oft die Doppelbelastung mit Familie und Job. Und wieviele Männer gibt es schon, die bewusst zu ihrer Frau sagen: ‚Komm, geh zurück in Deinen Job, ich weiß, Du brauchst das und es ist wichtig für Dich.‘ dieStandard.at: Haben auf ihrem Weg nach oben Schwierigkeiten erlebt, weil Sie eine Frau sind? Adami-Schrott: Ein Problem ist sicher die Familienplanung: Man muss sich als Frau viel intensiver damit auseinandersetzen, wie ich meine Familienplanung angehe, als ein Mann, gerade wenn ich an die Spitze möchte. Ich glaube, es wird von Frauen der neuen Generation einfach von vornherein erwartet, dass sie das irgendwie managen, anstatt zu versuchen, hier Lösungen zu finden. Das finde ich unverschämt. Klar ist es für den Chef bequemer, einen Mann einzustellen und sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen – seinem Unternehmen gehen dadruch aber viele positive Qualitäten verloren, das haben viele aber schon erkannt. Ich glaube, der Trend geht in die richtige Richtung, aber wenn frau nicht dafür kämpft und bewusst darauf aufmerksam macht, dann passiert gar nichts.