Grüne
"Beißen nicht in den sauren Apfel"
Grüne verweigern ihrem Parteichef erstmals in einer wesentlichen Frage offen die Gefolgschaft: Am Nein zu Abfangjägern werde nicht gerüttelt
Wien - Häme bei den Regierungsparteien, Irritation bei
den Grünen: Zum ersten Mal
in dieser Intensität sieht sich
Grünen-Parteichef Alexander
van der Bellen massiver Kritik
aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Seine in Interviews
geäußerte Abkehr von der
strikten Anti-Abfangjäger-
Haltung erbost die Parteifreunde.Sicherheitssprecher Peter
Pilz versuchte zu beruhigen:
Die Linie der Grünen bleibe
die "Nulllösung". Das war nur
"ein dialektisches lautes
Nachdenken im Konjunktiv",
so Wirtschaftssprecher Werner Kogler. "Natürlich" blieben die Grünen bei ihrem
"Nein zum Abfangjäger: Wir
werden ganz sicher nicht in
den sauren Apfel beißen."
Van der Bellen spricht nun
auch von einer "konjunktivischen Antwort auf eine optionelle Frage". Militär-, finanz-
und wirtschaftspolitisch seien
die Abfangjäger "ein Unsinn
ersten Ranges". Was er aber
gesagt habe, sei: "Wenn - was
ich nicht glaube - Verfassungsrechtler, Völkerrechtler
einhellig sagen, ganz ohne wird es aus souveränitäts-
oder neutralitätsrechtlichen
Gründen nicht gehen und ohne irgendeinen symbolischen
Akt der Luftraumkontrolle
auch nicht, dann würden auch
wir in den sauren Apfel beißen müssen. Das heißt aber
keine Eurofighter, sicher nicht
24 Maschinen und zwei Milliarden Euro Anschaffungskosten."
"Völlig perplex" zeigte sich
Grünen-Europaabgeordneter
Johannes Voggenhuber. "Mich
hat das genauso kalt erwischt
wie alle anderen. Ich warte auf
eine Erklärung", sagte Voggenhuber im Gespräch mit
dem Standard. Van der Bellens Argumentation sei "völlig
unpolitisch und auch sachlich
nicht nachvollziehbar". Voggenhuber: "Damit steht er im
großen Widerspruch zur
Mehrheit der Grünen. So ein
Satz genau jetzt, wo die Regierung von Tag zu Tag immer
mehr Schwierigkeiten hat.
Für Befremden sorgten bei
Voggenhuber die Aussagen
des Völkerrechtlers Manfred
Rotter und der Verfassungsjurist Heinz Mayer, die meinten,
es bestehe eine Notwendigkeit von Abfangjägern für die Luftraumüberwachung. Man könne aus der Pflicht zur militärischen Verteidigung des Territoriums nicht den Ankauf von
Abfangjägern herleiten: "Es
geht um eine politische Entscheidung. Diese Diskussion
ist absurd. Da kann man gleich
die gesamte Sicherheitspolitik
den Völker- und Verfassungsrechtlern überlassen." (kob,
mue, pm/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.8.2002)