Bild nicht mehr verfügbar.

Archiv
Fein, wenn's nach Essen riecht. Schließlich rinnt einem dann das Wasser im Mund zusammen, die Säfte im Magen beginnen zu brodeln, der Organismus lässt seine Bereitschaft erkennen, sich die Fresserei anzutun. Fein, wenn's nach Essen riecht. Ist immerhin auch das einzige unserer Grundbedürfnisse, das geruchlich einigermaßen klar definierbar ist (bei Sex ist das schon ein bisschen schwieriger), und hat nicht zuletzt eine wichtige pathologische Funktion: Am Geruch erkennen wir, ob Essen gut ist und unserem Körper nützt, oder ob wir es besser sein lassen sollten. Also zumindest ungefähr, weil von diesen Instinken haben wir uns ja einerseits schon ganz schön weit entfernt, andererseits nützt die Industrie diese Prägungen natürlich auch schamlos aus ... Jetzt ist es okay, wenn es in der Küche nach Essen riecht. Auch in Restaurants darf's ab einer gewissen Urtümlichkeit nach den gebotenen Produkten riechen (nach Pizza in der Pizzeria ist okay, nach Fisch im Sushi-Lokal eher nicht), und von mir aus an Plätzen, wo gefeiert wird. Aber das ist es dann eigentlich auch schon. Im Schlafzimmer Essensgeruch, bitte nicht, im Büro, weil sich irgendjemand seinen Fertig-Junk in der Mikrowelle heiß strahlt, Gnade! Und dann ist da das Stiegenhaus. Wenn man von Stock zu Stock höher steigt und einem geruchlich mitgeteilt wird, was es heute hier zu essen gibt. Kraut und Kohl waren früher ein recht verbreiteter Geruch in Stiegenhäusern, das hat sich aber irgendwie gelegt, bilde ich mir ein. Auch Letscho ist einigermaßen deutlich in seinem aromatischen Auftreten, das dringt durch jede Ritze, hat man mittlerweile aber auch nicht mehr so wahnsinnig oft. Die absoluten Stiegenhaus-Renner sind aber sowieso nach wie vor die heimischen All-Time-Highs Schnitzel, Schweinsbraten und Brathuhn ­ vor allem am Wochenende. Unlängst hatte ich ein eigenartiges, ungewöhnliches nachbarschaftliches Essgeruch-Erlebnis: Durch das Badezimmerfenster kam so eine Mischung aus Putenschnitzel oder Kalbsnaturschnitzel rein, irgendwie exotisch und daher schwerer zu analysieren. Man merkt: Die Essgewohnheiten ändern sich ­ langsam ­ und damit auch der Geruch in den Stiegenhäusern. Super, bald wird's vornehmlich nach Grünkernbratlingen, vietnamesischem Wok und Mozzarella riechen. Ah ja, Mozzarella riecht eigentlich kaum...