Foto: Standard/ Matthias Cremer
Standard: Werden Sie die FPÖ wählen? Höbelt: Eher nicht. Eine Partei, die sich so dumm benommen hat, gehört bestraft. Mölzer: Kennst du eine Partei, die sich gescheiter benimmt? Höbelt: Ja. Alle anderen. Knittelfeld war einmalig. So dumm hat sich keine Partei aufgeführt. Mölzer: Viele Leute schimpfen. Ich auch. Aber werde ich jetzt sozialistisch wählen und mich zum politischen Eunuchen machen? Daher wähle ich das geringere Übel, eine zum Landbund mutierende FPÖ mit Reichhold. Mit Freude wählt jetzt keiner FPÖ. Höbelt: In Knittelfeld haben sich die Funktionäre abreagiert, jetzt sollen sich die Wähler abreagieren. Man hat eine herrliche Chance, blaue Leihstimmen der ÖVP zu geben als Dank für die Koalition. Mölzer: Das ist eine ironisierende Sicht. Denn in Wahrheit ist nach Knittelfeld die Gelegenheit aufgetaucht, das Haider-Projekt zu kappen. Leider haben breite Kreise in der FPÖ diese Gelegenheit wahrgenommen. Standard: Ist Haider schuld? Höbelt: Dieses so genannte Projekt Haider war mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ erreicht. Danach konnte das Projekt Haider nur mehr ein Störmanöver für die Linke sein. Jörg Haider hat längst die Geschäfte der Opposition besorgt. Mölzer: Eine falsche Analyse insofern, als das Projekt Haider stark auf die Leitfigur zugespitzt war. Es wäre vollendet gewesen, wenn er in der Regierung gewesen wäre. Höbelt: Das ist sein Problem. Ich möchte nicht in Psychologisiererei eines alternden Popstars verfallen. Der Haider von 1999 hat sich einen besseren Nachfolger verdient als den Haider des Jahres 2002. Die FPÖ wird nie mehr die Stärke erreichen, die sie hatte. Mölzer: Sie ist nicht mehr die Sammelbewegung gegen die große Koalition. Wenn das Feindbild große Koalition und die Leitfigur weg sind, ist das Projekt Haider erledigt. Standard: Soll Haider sich nicht einmengen? Mölzer: Ich gehe davon aus, dass er nicht mehr will oder nicht mehr kann. Zuletzt hat er die Fäden nicht in der Hand gehabt. Knittelfeld ist nur die Spitze einer langen Entwicklung. Haider stand vor dem Spagat - er wollte sein Projekt nicht gefährden, andererseits Signale aussenden, damit er nicht alle Wähler verliert. Höbelt: Das war ja nicht so. Mölzer: Er hat’s halt geglaubt. Alle haben die Nerven weggeschmissen. Auch die Herrschaften in der Regierung. Höbelt: Die Strategie war völlig falsch - dieses Auf-den- kleinen-Mann-Starren wie das Kaninchen auf die Schlange! Die Idee, dass ein Arbeiter, der die SP verlässt, eine Partei will, die alte rote Slogans in neuer Verbrämung bringt, ist verkehrt. Wir zogen mit der Flat Tax in die Wahl - und predigten dann eine Verschärfung der Progression durch Entlastung kleiner Einkommen. Wir haben die Sache mit Temelín von den Grünen kopiert. Wir haben einen Slogan, mit dem in Deutschland nur die PDS hausieren geht - gegen die Abfangjäger. All das hinterlässt keinen kohärenten Eindruck. Standard: War Knittelfeld unvermeidlich für eine erfolgsverwöhnte Oppositionspartei? Mölzer: Das war ein harmloses Funktionärstreffen, das blöd ausgegangen ist. Höbelt: Wenn man eine solche Revolte macht, das wäre ja nichts Böses . . . Mölzer: Du bist so moralisch zurzeit, wo du doch sonst so politisch unmoralisch bist. Höbelt: Na, weil mich Dummheit ärgert. Die einzige moralische Kategorie ist dumm und gescheit. Wenn Leute die Regierung stürzen wollen, dann bekämpfe ich das, respektiere es aber als Projekt. Wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, sind die Leute, die herumputschen und dann sagen, das haben wir nicht gewollt. Die haben zu lang am Watschenbaum gerüttelt und ernten jetzt die Früchte. Mölzer: Der Masterplan war doch so: Jetzt regieren wir, beim nächsten Mal sind wir stärker als die ÖVP, und niemand kann einen Kanzler Haider verhindern. Das ist nicht aufgegangen: Weil es nicht funktioniert, wenn man aus der Provinz Zurufe tätigt, und weil die Leute mit ihren hohen Ämtern mehr Selbstbewusstsein bekamen. Das hat Haider falsch eingeschätzt. Nur mit viel Glück geht sich wieder Schwarz-Blau aus. Standard: Aber die FPÖ hat sich als nicht regierungsfähig präsentiert. Mölzer: Natürlich waren die regierungsfähig. Aber auflösen wird sich die FPÖ nicht - nur wenn alle wie du mit VP- Leihstimmen unterwegs sind. Höbelt: Leider passiert die Auflösung und Neugründung so nicht. Die FPÖ hatte 37.000 Mitglieder, als Haider übernahm, jetzt sind es 50.000. Die Kohärenz der Vereinsstruktur ist da sogar ein Problem. Mölzer: Aber die Steger-FPÖ war eine andere als die Haider-FPÖ. Die wollte eine systemüberwindende Partei sein. Höbelt: Aber sie war ein Medienprojekt. Die FPÖ wurde stark gegen die Herrschaft der Apparatschiks - und bietet jetzt ein Bild der gockelnden Apparatschiks. In das frei schwebende Medienprojekt ist in Knittelfeld wie ein Komet die alte Struktur mit ihrer Vereinsmeierei hineingeplatzt und hat eine devastierende Wirkung angerichtet. Mölzer: Du bist ein Verächter innerparteilicher Demokratie. Höbelt: Natürlich! Absolut! Der Wähler hasst Vereinsmeierei der Funktionäre. Mölzer: Endlich die absolute Herrschaft der Oligarchie? Höbelt: Nein! Von Personen. "Dank" Medien haben wir ein personenorientiertes System, das aber formal auf Vereinsbasis funktioniert. Paradox. Mölzer: Nachdem das Führerprinzip nach 1945 ein bisserl aus der Mode gekommen ist, hat man sich halt auf solche Gremien geeinigt. Parteien, die sich als Systemalternative darstellen, rufen überhöhte Erwartungen hervor, die sie enttäuschen müssen. Ich habe immer gesagt, erzählt’s mir nichts von 60.000 Schilling, das ist eine Heuchelei, die FP ist eine Partei wie alle andern. Standard: Welche Zukunft hat die Nach-Messias-FPÖ? Höbelt: Es wird eine Partei um die zehn Prozent wie früher. Eine bürgerliche Partei, die das dritte Lager verkörpert. Und ohne diese Partei wird eine nicht sozialistische Regierung nicht möglich sein. Mölzer: Bürgerliche Mehrheiten waren nur wegen Haider möglich. Die künftige FPÖ wird Leute ansprechen, die weder rot noch katholisch sind. Das ist ein Wählerpotenzial von rund zehn Prozent. Höbelt: Durch Haider wurde die FPÖ der langfristigen Inhalte entkleidet. Mölzer: So ist es. Höbelt: Haider hat gemerkt, dass die langfristigen Inhalte immer in Debatten münden, die für ihn unangenehm sind. Daher sagte er: Lassen wir das und reden über Korruptionsfälle. Aber die FP-Regierungsmitglieder waren eben nicht wie Haider, der dreimal pro Woche sagt, dass er schon weg ist. Die sagten: Wenn wir dem Druck von außen nachgeben, brauchen wir nicht weiter regieren. Mölzer: Der Druck von außen! Jeder hat gewusst, dass Haider der Spiritus Rector ist. Ich neige nicht zur Parteienvergötzung, sondern halte Parteien eher für miese Organisationen. Besonders die, der ich angehöre. Eine Partei wie die Haider-FPÖ hat in dieser marginalen österreichischen Geschichte eine Funktion - als Reformmotor nach 30 Jahren SPÖ. Für so eine wirkliche Reform hätte man zumindest zwei Legislaturperioden gebraucht. Dann hätte die FPÖ ihren Zweck erfüllt und könnte zur Vertretung der letzten drei Deutschnationalen schrumpfen. Höbelt: Den Dritten neben uns zwei kooptieren wir. Mölzer: Wobei eines auch sehr interessant ist: Diese böse Haider-FPÖ war für die ÖVP gegenüber der eigenen Klientel das Alibi, etwa den Beamten gegenüber. Das war ein gewisser Alibibringer für schmerzhafte Reformen, die die ÖVP ihrer eigenen Klientel gar nicht verklickern hätte können. Das ist jetzt weg. Mit einer schwachen FPÖ kann sich niemand mehr ausreden. Höbelt: Vielleicht will eine große Koalition jetzt wieder ihre Ruhe. Standard: Sie wollen lieber Rot-Grün als Rot-Schwarz? Mölzer: Das sagt Höbelt als Zyniker. Ich wäre über eine rot-grüne Regierung relativ desperat. Aber ich bin es ja gewöhnt, dass wir immer die Outlaws waren. Sind wir es halt wieder. Es war ein Zwischenzustand, dass man einen Minister einfach so anrufen konnte. Standard: Haben Sie es vermisst, Outlaw zu sein? Mölzer: Ich habe es immer als Luxus empfunden, für eine verlorene Sache zu kämpfen. Höbelt: Die FPÖ muss einmal diese Ohrfeigen, die sie jetzt kriegt, mit Grazie einstecken. Mölzer: An den Ohrfeigen zweifle ich nicht. Aber an der Grazie. Standard: Gibt es noch Personalreserven in der FPÖ? Höbelt: Es ist leicht, Leute aufzubauen. Genauso schnell können sie wieder im Orkus verschwinden. Mölzer: Die Krise ist auch eine Chance: Viele haben gesagt, Politik überlassen wir denen, die Haider in seiner fantastischen Personalpolitik aussucht. Das meine ich ironisch. Es wird auch dieser Jugendkult mal vorbei sein. Dass nur mehr Sportler und Rennpferde unter 30 Jahren Mandate kriegen dürfen. Standard: Wo wird Haider in zehn Jahren sein? Höbelt: Ich hoffe, er ist zufriedener Waldbesitzer. Mölzer: Totgesagte leben länger. Jetzt halte ich einmal das Projekt für tot und ihn für aus dem Spiel. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2002)