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Marianne Hoppe starb 93-jährig

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Marianne Hoppe und ihr Ehemann Gustaf Gruendgens bei einer Bootsfahrt in Zeesen.

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Siegsdorf - "Ach, übrigens, was ich eigentlich schon seit achtzig Jahren sagen wollte . . ." - in dieser Art sagte es Marianne Hoppe im April 1999 zwei Tage vor einer Feier zu ihrem vermeintlichen 88. Geburtstag im Berliner Ensemble: "Ich bin nämlich nicht 1911 in Rostock geboren, sondern 1909. Ist ein Fehler im Pass." Und so feierte man schnell den Neunziger auf jener Bühne, wo Hoppe noch 1993/94 in Heiner Müllers Regie in dessen Quartett als Marquise de Merteuil triumphiert hatte. Wobei: Sie triumphierte ja nie, das wäre viel zu pathetisch, sie sprach alles, in siebzig Schauspielerinnenjahren fast nur tragende Rollen, so ganz nebenbei.

Die Kunst des zentralen Nebenbeisprechens setzt hohe Intelligenz und ein Gefühl für den Rhythmus der Sätze in Stücken voraus. Es ist die Voraussetzung für moderne - nach Peter Szondi: nicht identifikatorische - Dramatik, und deshalb wurde Hoppe, der Ufa-Star der Nazizeit, nach 1945 noch einmal entdeckt.

Von Sartres Die Fliegen in einer Düsseldorfer Gründgens-Inszenierung 1949 zu Beckett (als mürrische Winnie in Glückliche Tage), dann zu Heiner Müller, später groß in Robert Wilsons König Lear und bei Thomas Bernhard: als Generalin in der Jagdgesellschaft in Dieter Dorns Inszenierung, Schillertheater Berlin 1972, die Mutter in Am Ziel in Peymanns Festpielinszenierung 1981 bis zu jener Rolle der Professorinnenmutter, die Bernhard extra für sie in den Heldenplatz hineingeschrieben hat. Er liebte sie.

Ihre Darstellungskunst verdankt die märkische Gutsherrentochter Marianne Stefanie Paula Henni Gertrud ja weniger dem noch pathetischen Max-Reinhardt-Theater, zu dessen Schauspielschule sie in den Berliner Twenties stieß, als, so will es scheinen, dem Autofahren. In Petra Kohses Biografie erzählt Hoppes Sohn, den sie - eben von Gustaf Gründgens geschieden - 1946 als Freundin des Daily Mail-Auslandskorrespondenten Ralph Izzard zur Welt gebracht hatte: "Mit siebzehn machte sie in Brandenburg den Führerschein, sie war die einzige Frau. 1937 fuhr sie einen BMW 326. Um ihn sich leisten zu können, hatte Mutter damals einen Film gemacht. Sie wollte immer ein sportliches Feeling, aber es sollte praktisch sein und keinesfalls etwas behäbig Deutsches."

Autos - das ist einerseits das Schnittige, der damaligen Frauenrolle Unangepasste, auch Schnörkellose, das ihren Schauspielstil auszeichnet; anderseits aber spielte sie, um sich das leisten zu können, in vielen Nazifilmen mit. Wobei sie ein Pausenfoto aus dem Schimmelreiter-Film 1934 gleich wieder unangepasst zeigt: im Bett liegend, ganz deutsche Frau, aber mit einer Zigarette, damals geschlechtsspezifisch verpönt.

Dennoch ein finsteres Kapitel, das durch ihre Ehe mit und Begeisterung für Gustaf Gründgens nicht klarer wird. Ihre staatstragende Rolle kom- mentierte sie indirekt, wieder sehr intelligent, nämlich: Den ungeschriebenen Lebenserinnerungen wollte sie den Titel Achtung, Steinschlag geben, weil sie dies für die nutzloseste Warnung überhaupt hielt. Kommt Steinschlag, kommt er eben. Soll man deswegen nicht mehr aus dem Haus gehen? Oder nicht mehr spielen?

Bereits am Mittwoch ist Marianne Hoppe, wie erst am Wochenende bekannt gegeben wurde, 93-jährig in ihrem Altersdomizil im bayrischen Siegsdorf gestorben. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2002)