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Foto: APA/Artinger
Mit einiger Berechtigung darf man sich zornigen Widerspruch erwarten, würde man es wagen, Gertraud Knoll als Symbol zu bezeichnen. Als Chiffre, die politische Taktiker gezielt aufs Spielbrett werfen. Kein Mensch, so ungefähr würde diese Entgegnung beginnen, ist eine Chiffre, ein Etwas, das für etwas anderes steht. Und gegen Ende würde sie auf die gängige politische Rede von den jeweiligen Menschenbildern kommen, um dann, so wie in dem gerade erschienenen Buch ("Im Anfang war Beziehung", Wichern Verlag) zu sagen: "Ich rede in diesem Zusammenhang überhaupt nicht gern von Bildern, weil ich nicht möchte, dass Menschen fix und fertig in irgendwelchen Kategorien schubladisiert werden."

Sie selbst freilich ist längst und fix und fertig in einer Schublade. Genau deshalb haben sie die SP-Taktiker ins "Kabinett des Lichtes" geholt, wo sie jene Chiffre sein soll, die dem roten Slogan - "Weil der Mensch zählt" - Leben einhauchen soll. Aber hinter der "Chiffre Knoll" steht unübersehbar Gertraud Knoll, die so sanft erscheinende und doch so unerbittlich wirkende Superintendentin des Burgenlandes, die das Evangelium so eloquent im Munde führt, dass man auch an einen Fauxpas denken mag. Denn Gertraud Knoll ist - auch und gerade als Chiffre - inkompatibel mit jenen SP-Tendenzen, die bis heute den Namen Schlögl tragen.

Die 43-jährige Linzerin kam Anfang der 80er-Jahre ins Mittelburgenland. 1985 wurde sie Pfarrerin in Weppersdorf, 1994 Bischöfin des Burgenlandes. In beiden Funktionen war sie jeweils die Erste. Daneben, oder in der Hauptsache, wurde sie dreifache Mutter. Und genau das, die Unentschiedenheit über den Lebensstellenwert der Kinder, ist im Grunde, was die Politiker "Frauenfrage" nennen. Knoll lebt diese Frage. "Die beste Ostersonntagspredigt", sagt sie, "entsteht nicht ausschließlich am Schreibtisch, sondern unter Umständen auch mit einem zahnenden Kind an der Brust, wo es eben kein Entweichen gibt."

Die "Chiffre Knoll" hat seit damals auch eine politische Dimension. Ihre Predigt am Grab der ermordeten Roma in Oberwart 1995 wurde umstandslos als eine politische empfunden, ebenso die bei der Antiregierungsdemonstration im Februar 2000. Dazwischen kandidierte sie 1998 bei der Bundespräsidentenwahl, bei der sie mit 13,5 Prozent Zweite wurde. Wenig später wurde sie das Opfer einer Hetzkampagne, die sie in einen "Sonderurlaub" vertrieb.

Jetzt, das ist zu befürchten, wartet Ähnliches auf sie und ihre Familie. Wozu also, fragt der Beobachter, tut sie sich das an? Ihre Antwort darauf ist rührend schlicht. Ihr Lebensziel, sagt sie, sei es, "wenn meine Kinder zu mir sagen könnten: Knoll, im Großen und Ganzen bist du dir als Mensch gelungen". (DER STANDARD, Printausgabe, 30.10.2002)