St. Pölten - Schön, wenn sich eine gewagte Idee verwirklicht - und eine solche ist die im Festspielhaus St. Pölten seit Mitte August residierende "abcdancecompany". Das von Intendant Michael Birkmeyer und seinem Chefchoreografen Nicolas Musin gegründete, aus 16 Tänzern zusammengesetzte und vom Land Niederösterreich finanzierte Ensemble steht für ein weit greifendes Projekt.

Von St. Pölten aus, wo im Festspielhaus unter besten räumlichen Bedingungen gearbeitet werden kann, wo seit Monaten international wirkende Choreografen mit dem Ensemble bereits an Zukünftigem werken, wird man Koproduktionen mit angesehenen Kompanien eingehen. Natürlich hat das Wissen um derartige Optionen eine seit vier Monate zusammen "lebende" Kompanie beflügelt. Da sieht man im klassischen wie im modernen Fach fundierte Tänzer, sieht motivierte Interpreten, eine homogen wirkende Gruppe. Das in so kurzer Aufbauzeit zustande zu bringen, ist schon eine Leistung für sich!

Debütiert wurde mit Nicolas Musins choreografischem Gedicht tristan, isolde, einer freien Adaption der Liebesdichtung von Gottfried von Straßburg: ein großer Rahmen, ein Grundgerüst für eine in der Jetztzeit gegen unsägliche Barrieren ankämpfende "amour fou", die genügend Raum gibt für Nebenrollen und Corps. Musin tritt als ambitionierter, mit umfassendem Bewegungsschatz ausgestatteter Choreograf in Erscheinung.

So kennt man ihn ja auch, den zuletzt auch an der Staatsoper als markanter Solotänzer und auch Choreograf Reüssierenden, der es versteht, Gruppe, Quartette, Pas de deux und Soli wirkungsvoll wie eigenwillig zu gestalten. Zu Auszügen aus der Orchesterfassung von Richard Wagners Oper, zu Einspielungen von Kurt Weill und vor allem zu orientalisch geprägtem Jazz entwickelt Musin mit seiner überbordenden Fantasie ein Konglomerat an ausgefeilten Aktionen. Das überwältigt in der perfekten tänzerischen Präsentation, irritiert jedoch das dramaturgische Gefüge.

Klar gestaltet sich die dramatische Beziehung zwischen Isolde (Hanna Ahti) und Tristan (Maxime Lachaume). Und einnehmend sind Karl Schreiner als Marke und Georgette Sanchez als Brangaine. Jedenfalls war der erste Eindruck (trotz inhaltlicher Ungereimtheiten) gut. Warum dieses aufwändig produzierte Stück vorerst nur zweimal auf dem Programm steht, ist nicht nachvollziehbar. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2002)