Karl Valentin
I 1928-1930

Foto: Trikont/ Hoanzl

Karl Valentin
II 1937-1938

Foto: Trikont/ Hoanzl

Karl Valentin
III 1939-1940

Foto: Trikont/ Hoanzl

Karl Valentin
IV 1940-1941

Foto: Trikont/ Hoanzl

Von Valentin Fey alias Karl Valentin, dem subversiven bayerischen Volkskünstler und gelernten Sargtischler (1882-1948), liegt nun erstmals eine Gesamtschau seiner Ton- und Kurzfilmdokumente vor. Inklusive bisher unveröffentlichter Szenen und Gesänge.


Wien/München - Was niemand bisher wusste, ist ab sofort geklärt: Giovanni Trapattoni, der radebrechende ehemalige Trainer von Bayern München und heute als Werbeträger für deutsches Müller-Joghurt tätig, ist der deutschen Sprache doch mächtiger als angenommen. Sein berühmter Spruch "Ich habe fertig!" tauchte schon bei einem der gefinkeltsten Sprachbeobachter und -experimentalisten der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts auf. Wie meinte einst schon Karl Valentin, der große Münchner Volkssänger und Urvater des Kabaretts, vor langer, langer Zeit: "Ich möchte nur mitteilen, dass ich jetzt fertig habe."

Dem großen bayerischen Sargschreinergesellen Valentin Fey (1882-1948), der zwischen 1928 und 1948 stilprägende und unnachahmliche Tondokumente aufnahm, denen Zeitgenosse Kurt Tucholsky einen "Höllentanz der Vernunft um beide Pole des Irrsinns" attestierte und von dem Alfred Polgar sagte, dass es sich bei dem atemberaubend stangenlangen Hansl um "ein Gespenst und doch einen Münchner" handle, nahm in diesem Zeitraum nicht nur die Sprache beim Wort, wie man so schön sagt.

Er drehte diese verbale Schraube des Irrsinns auch in einer gewaltigen Kraftanstrengung weiter. Bis dorthin, wo unten im Abgrund nicht nur das Absurde in all seiner sinnentstellten Pracht wohnt, sondern auch das Lachen im Halse stecken bleibt.

Unvergessen etwa heute legendäre Sätze wie jener, den der stets mit Hungersnot und Armut kämpfende Verfasser des heutigen Volksliedes Die alten Rittersleut aus 1940 einmal einem Verleger schrieb, weil dieser immer noch nicht das Honorar überwiesen hatte: "Zuerst wartete ich langsam, dann immer schneller." Oder auch Schöpfer von zeitlosen Bonmots wie dem späten, im Nachkriegsdeutschland geprägten Spruch: "Die Zukunft war früher auch besser." Urheber des auf die ganze Schöpfung anwendbaren Urteils: "Wrdlbrmpfd!" oder der gerade heute in den Nachwehen der New Economy präzisen Analyse: "Die Reichen reichen sich die Hände, die Armen reichen sich die Arme."

Valentin, dem immer auch eine heimliche Liebe zu drallen Frauen nachgesagt wurde, obwohl er mit dem Sexus doch zeitlebens auf dem Kriegsfuß stand, fand unter der Bewunderung von Bert Brecht oder Charlie Chaplin als erster authentischer Vertreter einer "Kultur von unten" in den Jahren vor dem Krieg mit Liesl Karstadt eine kongeniale Partnerin.

Semmelnknödeln

Unvergessen Dialoge aus diversen Kurz- und leider nur gezählten drei Spielfilmen: "Jetzt gib' mir halt ein Busserl!" - "Es Weiber immer mit eurer Erotik!"

Parallel zu einer auf drei DVDs und über sieben Stunden konzipierten Edition seiner sämtlichen Kurzfilme, darunter bis heute unübertroffene Klassiker wie Der Theaterbesuch, Orchesterprobe oder Der Firmling, herausgegeben von der Firma Film 101, hat sich das bewährte Münchener Plattenlabel Trikont (Vertrieb: Hoanzl) nun einer Großtat verdient gemacht.

Auf insgesamt acht CDs und einem ausführlichen Begleitbuch bietet Herausgeber Andreas Koll auf Karl Valentin - Gesamtausgabe Ton nicht nur die bekanntesten Bänkelgesänge, Lieder und Szenen von Valentin, Liesl Karlstadt und anderen Partnern. Neben dem zeitlosen Bürokratie-Albtraum Buchbinder Wanninger oder den legendären Semmelnknödeln finden sich hier neben begleitenden Aufsätzen von Herbert Achternbusch, Georg Seeßlen oder Christoph Schlingensief auch frühe und bis dato wenig gekannte Schätze wie Das Aquarium oder Übertragung aus der Hölle ("So einen Saustall, wie Ihr oben habt, können wir in der Hölle nicht brauchen!").

Wie meinte Bertolt Brecht über Valentin angesichts des Besuchs eines seiner Kabarettabende (Valentin übrigens mit Fau wie Fogel!): "Dieser Mensch ist ein durchaus komplizierter, blutiger Witz. Er ist von einer ganz trockenen, innerlichen Komik, bei der man rauchen und trinken kann und unaufhörlich von einem innerlichen Gelächter geschüttelt wird, das nichts besonders Gutartiges hat."

Der laut Oskar Maria Graf "stärkste Selbstdarsteller menschlicher Unzulänglichkeiten" verstummte während dem Kriegselend der 40er-Jahre beinahe vollständig ("Der Fremde ist nur in der Fremde fremd"). Nach dem Krieg wollte ein Comeback nicht klappen: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit", befand der Künstler nüchtern. Und erst der Wiederaufbau! Valentin starb am 9. Februar 1948, dem Rosenmontag. An Unterernährung. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2002)