Friederike Landrichter
Landrichter

Ihr Vater war Bauingenieur und hatte eine kleine Baufirma. Ein Grund für die damals Achtzehnjährige, etwas ganz anderes zu machen und Ökologie zu studieren. Auf Umwegen landete sie jedoch erst recht in der Baubranche. "Beim Studium hat mir der starke Praxisbezug am besten gefallen, weil wir das theoretische Wissen sofort umsetzen konnten.

An einem Tag haben wir in der Vorlesung die Theorie gehört, und am nächsten Tag sind wir im Wald und auf Baustellen herumgekrebst und haben uns dort die Hände schmutzig gemacht. Das hat mir gefallen, weil etwas passiert und entsteht", so die Oberösterreicherin. Nach dem Studium bot ihr der Vater einen Job in seinem Unternehmen an. Die frisch gebackene Diplomingenieurin sollte ein neu entwickeltes Verfahren, um Leitungen unter der Asphaltdecke zu verlegen, an den Mann bringen: "Ich habe bei Bürgermeistern und Ziviltechnikern Klinken putzen müssen und die neue Methode angepriesen. Das war ein knallhartes Kontrastprogramm zum akademischen Elfenbeinturm", schmunzelt Landrichter.

Außerdem arbeitete sie auf diversen Baustellen mit, plante Arbeitsabläufe und holt behördliche Bewilligungen ein. "In dieser Phase habe ich bemerkt, dass mir technische Grundlagen fehlen. Von Statik etwa hatte ich überhaupt keine Ahnung." Grund genug für die wissbegierige Frau, neben der Arbeit noch den Fachhochschul-Studiengang "Bauingenieurwesen und Baumanagement" zu belegen. "Neben dem Job noch an fünf Tagen in der Woche abends die Schulbank zu drücken, war sehr intensiv. Aber ich konnte vieles, was ich dort gehört habe, praktisch am nächsten Tag anwenden. Das hat geholfen."

Am Beginn des zweiten Studienjahres bekam Landrichter ihr erstes Baby. Für die junge Mutter aber kein Grund, mit der Ausbildung zu pausieren. "Meine Studienkollegen haben mich quasi durch diese schwierige Zeit getragen. Ein Grüppchen kam zu mir nach Hause, um gemeinsam zu lernen. Und ich bin mit meiner quengelnden Tochter am Arm um den Tisch rotiert und habe dabei zugehört. Letztlich habe ich überhaupt keine Zeit verloren", sagt Landrichter nicht ohne Stolz.

Nach dem Ende des Studiums wollte sich die frisch gebackene Bauingenieurin neuen Aufgaben stellen, bei denen sie ihr technisches sowie ihr ökologisches Wissen einbringen konnte. Zufällig suchte die Strabag jemanden mit perfekten Englischkenntnissen für den Bereich Umwelttechnik. Für Landrichter genau das Richtige: "Ich war während meiner Schulzeit ein Jahr in Kanada, Englisch war für mich daher kein Problem", so die Ökologin. Sie erstellte detaillierte Anbote für Ausschreibungen und prüft Bauverträge auf technische Risiken.

In dieser Zeit habe sie sich auch persönlich sehr entwickelt: "Jedes Projekt war enorm viel Arbeit und Druck. Ich musste erst lernen, damit umzugehen, und ihn nicht an mein Team weiterzugeben. Heute leitet sie den Bereich Hoch- und Ingenieurbau für Europa und ist vor allem mit Unternehmensakquisitionen in Südosteuropa beschäftigt. Ihre Erfahrungen kommen ihr zugute: "Auch jetzt brauche ich einen breiten Rücken. Jemand, der schwach besaitet ist, setzt sich in der Baubranche aber ohnehin nicht durch." (Judith Hecht, DER STANDARD, Print, 2./3.2.2008)