Bei einer Podiumsdiskussion anlässlich des internationalen Frauentags, zu der ich als "Quotenmann" eingeladen war, wurde ich gefragt, wer eigentlich schuld daran sei, dass sich in hundert Jahren nichts getan habe. Außer der etwas müden Behauptung, dass sich ja nicht nichts getan hätte und dem Hinweis, dass die Frage nach der Schuld ja auch nicht weiterbrächte, fiel mir nicht viel dazu ein. Es gab überhaupt viel Schulterzucken - auch aufseiten der Frauen schien mir Ratlosigkeit zu überwiegen.

Gravierende Unterschiede

Selbstverständlich kann man über alles streiten, auch darüber, ob sich nun wirklich nichts getan hätte. Die Unterschiede im Karriereerfolg zwischen Männern und Frauen sind jedoch so gravierend, dass jedes Leugnen nicht nur zwecklos, sondern auch unmoralisch wäre. Dies gilt besonders für harte Fakten der Karriere, wie Gehalt, Führungsverantwortung, Gestaltungsmacht, für die eine Art Fallgesetz zu herrschen scheint, welches mit naturgesetzlicher Unerbittlichkeit regelmäßig dazu führt, dass Frauen häufig den Kürzeren ziehen.

Über die Ergebnisse unserer Studie wurde an dieser Stelle schon berichtet: Innerhalb von zehn Jahren hatten sich die Gehaltsdifferenzen auf 60.000 bis 90.000 Euro pro Frau zusammenaddiert. Die OECD berichtet für Österreich über eine durchschnittliche Gehaltslücke von mehr als 20 Prozent zuungunsten der Frauen. Aber auch in Bezug auf die Führungsverantwortung scheint dieses "Fallgesetz" zu gelten.

Das bestätigen unsere Umfragen über die Karrieren von Absolventinnen und Absolventen wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge. Die OECD zeigt zwar, dass es zwischen Österreich mit nur 5,8 Prozent Frauenanteil in den Direktionsposten der Unternehmensvorstände und 26 Prozent in Norwegen starke Unterschiede gibt. Doch insgesamt scheint das Fallgesetz hier wie dort zu gelten.

Das ist der eine Teil der Frage, der andere sucht nach möglichen Ursachen. Aber hier wird es paradox. Unsere Studie hat 23 mögliche Ursachen systematisch ausgeschlossen - ohne Ergebnis. In den 1970er-Jahren hat man noch gewusst, wo das Problem liegt: nämlich in den zu geringen Bildungschancen für Frauen. Studien zeigen aber, wie sehr sich das seither verändert hat.

Ohne Auswirkung

Leider ist es aber ohne Auswirkungen auf das Fallgesetz von Frauenkarrieren geblieben. Frauen sind heute in fast allen Bereichen besser qualifiziert als Männer. So zeigen die Ergebnisse der Pisa-Studien von 2003 für Österreich, dass Mädchen im Vergleich zu Buben dramatisch besser lesen können. Die häufig behauptete Vormachtstellung der Buben in den Naturwissenschaften ist hingegen nicht feststellbar.

Was sich bei ausführlicher Durchsicht der Zahlen zeigt, ist eine unglaubliche Verschwendung von Humankapital, wenn besser ausgebildete Menschen - egal ob Frauen oder Männer - in schlechteren Jobs arbeiten oder am Erwerbsleben kaum beteiligt sind.

Aber wer trägt die Schuld dafür? Zumindest alle, denen das egal ist oder die gar damit zufrieden sind. (Guido Strunk, DER STANDARD, Print, 29./30.3.2008)