Am Montag, den 17. Februar, singt Carlos Alvarez an der Wiener Staatsoper den König Alphonse in der Premiere von Gaetano Donizettis dramatischem Vierakter "La Favorite" in der Inszenierung von Regisseur John Dew. Mit dem spanischen Bariton sprach im Vorfeld der Premiere Stefan Ender.


Wien - Er ist 36 Jahre alt, singt seit 13 Jahren professionell und seit acht Jahren in Wien. Er gab schon Posas, Rigolettos, Figaros, Don Giovannis und viele mehr zwischen Mailand und New York. Befragt man professionelle Kolleginnen zu ihrer Meinung über den Spanier, kann es passieren, dass einem der Ausruf "Ein geiler Bariton!" entgegenschallt.

STANDARD: Wie geht's, alles in Ordnung: Proben, Stimme, Stimmung?
Alvarez: Danke, alles bestens. Die Proben laufen gut, La Favorite ist keine sehr komplizierte Oper, und ich bin ja nur bei zwei Akten mit dabei.

STANDARD: Wann haben Sie mit den Proben angefangen?
Alvarez: Los ging's für mich am 8. Jänner, parallel zu den Proben habe ich hier noch den Don Carlo gesungen. Das ist gar nicht so einfach! Immer hin- und herzuwechseln zwischen zwei Sprachen, zwei verschiedenen Arten des Singens, zwischen zwei Rollen: Das braucht viel Konzentration. Zudem habe ich den Alphonse auch schon in der italienischen Fassung gesungen, und da musste ich zu Beginn der Proben sehr aufpassen, nicht ins Italienische zu fallen. Die Sprache macht auch in der Rollengestaltung einen großen Unterschied: Französisch gesungen, interpretiert man die Rolle des Alphonse deutlich lyrischer, melancholischer als auf Italienisch.

STANDARD: Wieso ist diese erste Arie von Alphonse so traurig? Fühlt er schon, dass seine Liebe zu Leonore zu keinem guten Ende kommen kann?
Alvarez: Möglich. Er liebt sie wie verrückt, aber da ist eben auch seine Frau und der Druck des Hofs und auch des Papstes. Andererseits: Dieser Druck wäre ihm egal. Aber eigentlich möchte Alphonse Leonore nicht heiraten.

STANDARD: Es gibt da einige ziemlich abrupte Hakenschläge im Libretto von "La Favorite". Alphonse erfährt vom Liebesbrief an Leonore, er zeigt ihr den Brief, sie gesteht ihre Liebe zum Verfasser des Briefs, und Alphonse verdammt Leonore - und das alles innerhalb von höchstens 20 Sekunden!
Alvarez: Oh ja, und da muss man als Akteur sehr fix reagieren! Wenn man nicht permanent aufpasst, verliert man sofort den Faden! Das gilt auch für den Zuhörer: Man sollte sich inhaltlich gut vorbereiten, dann kann man die Sache besser genießen.

STANDARD: Was kann ein schlechter Operndirigent alles falsch machen?
Alvarez: Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass es wichtig ist, mit dem Partner, mit dem man Musik macht, zu reden. Man muss die Probleme und Sorgen, die man hat, sofort auf den Tisch legen und ausdiskutieren. Auch die angesehensten Dirigenten hören sich jeden Einwand mit Sorgfalt an. Mit Fabio Luisi funktioniert das wunderbar. Er geht die Sache locker an, weiß, was er will, und er hört auf den Sänger. Wie auch das Staatsopernorchester, es könnte womöglich das meiste auch ohne Dirigenten spielen! Da hört jeder Einzelne zu, was der Sänger macht.

STANDARD: Wachen Sie jeden morgen auf und vergewissern sich zuerst einmal, ob stimmlich auch alles in Ordnung ist?
Alvarez: Manchmal, speziell vor Premieren. Die Zuhörer erwarten ja Höchstleistungen. Aber nur so kann Großes passieren! Nur so kommen magische Momente zustande: zwischen einem hoch gespannten Publikum und einem hoch gespannten Sänger! (DER STANDARD, Printausgabe, 15.02.2003)