Bures: "Geben an keine Partei Signale."

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Standard: Kaum sind Sie zurück in der Partei, ruft die ÖVP Neuwahlen aus. Womit rechnen Sie denn?


Bures: Wir haben in den ersten Tagen dieser Wahlauseinandersetzung schon erlebt, dass die ÖVP einen sehr aggressiven Wahlkampfstil an den Tag legt. Ich bin dafür, Argumente und Ideen in einer gewissen Härte auszutauschen, aber Untergriffe und Desavouierungen sollten keinen Platz haben, weil sich am Tag danach alle in die Augen schauen können müssen.

Standard: Haben Sie diese „Aggressionen" der ÖVP überrascht? Im Parlament wurde ja noch brav auf Kuschelkurs gemacht.

Bures: Nein, weil ich die handelnden Personen kenne. Mein ÖVP-Pendant, Generalsekretär Missethon, kann keinen anderen politischen Stil an den Tag legen. Die ÖVP versucht immer mit Getöse und harten Sprüchen, großen Ansagen und Angriffen unter der Gürtellinie davon abzulenken, dass es auch für sie angebracht wäre, das zu tun, wofür man gewählt wird - die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Stattdessen nimmt die ÖVP die Menschen immer wieder in Geiselhaft und ruft Neuwahlen aus, wann es ihr passt.

Standard: Sie haben die SPÖ im Wahlkampf zum „Außenseiter" erklärt. Hoffen Sie auf Mitleidseffekt?

Bures: Das war nicht ich, das waren die Meinungsumfragen. Mitleid ist - wie Dankbarkeit - keine politische Kategorie. Aber es ist tatsächlich so, dass die SPÖ eine große Aufholjagd starten muss.

Standard: Man könnte den braven Nichtangriffspakt in den letzten Tagen dieser Regierung auch so interpretieren, dass sich ohnehin beide Parteien für die nächste Runde einer großen Koalition aufwärmen.

Bures: Seitens der ÖVP muss es überhaupt erst einmal eine Bereitschaft zu dieser Regierung geben. Es kann sicher nicht mehr so sein wie 2006, als sie es nicht verkraftet hat, nicht mehr den Kanzler zu stellen, und das als Wählerirrtum bezeichnet hat. Wir wollen stärkste Partei bleiben, und ich appelliere an die ÖVP, dass sie in Zukunft einen größeren Respekt vor der Allgemeinheit haben möge.

Standard: Gilt das strikte „Nicht mit denen" auch für das BZÖ, das ja eigentlich „FPÖ minus Ideologie" ist?

Bures: Natürlich, ja. Das BZÖ und die FPÖ sind ja de facto eine Partei. Ob blau oder orange, da mache ich wie die Mehrheit der Menschen keinen Unterschied, die unterscheiden sich ja auch gar nicht. Koalition werden wir mit der FPÖ und dem BZÖ sicher keine bilden.

Standard: Mit Dinkhauser?

Bures: Das Entscheidende sind die Inhalte. Ich kenne von ihm bisher nur die bekannten Ankündigungen in Tirol, aber kein politisches Programm für Österreich.

Standard: Warum sendet die SPÖ keine Signale in Richtung Grüne?

Bures: Wir senden an gar niemanden Signale aus. Mein Ziel ist es, die Sozialdemokratie zu stärken. Was die Grünen betrifft, gibt es auch viele Punkte, wo es unterschiedliche politische Einschätzungen gibt. Ein entscheidender Punkt im Zuge der Teuerungswelle ist, dass ich nicht für eine Erhöhung der Mineralölsteuer bin.

Standard: Die SPÖ wagt wieder ein Wahlversprechen: Keine Koalition mit der FPÖ. Glaubt Ihnen das noch wer nach den gebrochenen Wahlversprechen von 2006?

Bures: Die Frage, mit wem die SPÖ in Zukunft eine Koalition eingeht, ist keine Frage, für die ich eine parlamentarische Mehrheit brauche wie bei den Studiengebühren, sondern es ist eine Frage der Haltung. Im Gegensatz zur ÖVP sagt die SPÖ klar: Wir werden mit der Strache-FPÖ keine Koalition eingehen.

Standard: Wird es zum Thema Studiengebühren diesmal wieder eine Wahlansage geben? Wie lautet die?

Bures: Es hat sich nichts geändert. Die SPÖ ist gegen finanzielle Hürden zur Ausbildung für junge Menschen. Studiengebühren gehören dazu. Aber ich weiß auch, dass ich dafür parlamentarische Mehrheiten brauche. Nur in China wird das, was ein Parteitag beschließt, auch zum Regierungsprogramm.

Standard: Sie hätten die magische Mehrheit für einen Moment gehabt. Ihr Wissenschaftssprecher Josef Broukal hat Sie Ihnen ja organisiert - und die SPÖ hat sich nicht getraut, die Studiengebühren abzuschaffen. Warum diese Selbstdemütigung?

Bures: Es muss Verlässlichkeit geben in der Politik. Wir werden jetzt nicht im Zuge von instabilen Verhältnissen, die die ÖVP ausgelöst hat, ein Chaos auslösen. Ich habe nichts davon, wenn man putschartig Dinge verändert, die nachher wieder abgeschafft werden. Auch den Menschen, die darauf warten, bringt das nichts. Ich kämpfe dafür, dass wir die Studiengebühren nach dem 28. September mit einer parlamentarischen Mehrheit abschaffen, weil ich das richtig finde.

Standard: Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek plädiert für eine Volksabstimmung über Österreichs EU-Verbleib, damit das ein für alle Mal außer Streit gestellt ist. Volksabstimmung müsste Ihnen doch gefallen?

Bures: Grundsätzlich bin ich bei Erhard Busek, hier die Menschen einzubeziehen. Die Mehrheit der Österreicher will aber nicht austreten. Sie sagen zu Recht, sie wollen ein anderes Europa, kein Europa der Bürokratie, kein Europa der Konzerne und der Wirtschaft, sondern ein Europa, wo die Menschen eine Rolle spielen. Es geht nicht darum, wie die ÖVP zu sagen: Europa ohne Wenn und Aber, es ist alles so toll - es ist nicht alles so toll.

Standard: Buseks Argument ist, dass Populisten weniger Nährboden hätten. Ein bisschen zielt er da ja auch in die Richtung der SPÖ.

Bures: Wenn wir ein Europa haben, das zwar die Politik für richtig hält, wo aber die Menschen nicht mehr mitgenommen werden, dann muss man sie einbeziehen. Das ist nicht populistisch, sondern eine Form eines demokratischen Prozesses.

Standard: Stört es Sie, wenn der SPÖ Populismus vorgeworfen wird? Der berühmte Brief oder Faymanns ÖBB-Ticketpreis-bleibt-gleich-Verkündigung gelten als populistisch.

Bures: Immer dann, wenn es anderen nicht passt, was man ideologisch vertritt, wird man diffamiert.
Die Frage ist, was man unter Populismus versteht. Wenn man sagt, es geht darum, die Menschen populär mitzunehmen, zum Beispiel durch Maßnahmen gegen die Teuerung, die ihnen helfen, dann habe ich gar nichts gegen Populismus. Dann bin ich gern populistisch. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 21. Juli 2008)