Studenten der Slow-Food-Uni Pollenzo (Piemont) auf Österreich-Exkursion.

Foto: Georg Desrues

Bei Bio-Bauer Geiregger, im Uhudler-Weingarten.

Foto: Georg Desrues

Bei den Freiland-Turopoljes.

Foto: Georg Desrues

Peter Namyiana ist Anfang 20 und aus Kenia. Auf den ersten Blick sieht man ihm den Weinkenner nicht wirklich an, wenn er im sandfarbenen Safari-Outfit durch die Uhudler-Reben von Familie Weinek im Südburgenland stapft. Doch Peter studiert seit drei Jahren an der Slow Food Universität für gastronomische Wissenschaften im piemontesischen Pollenzo und hat schon mehr Weinverkostungen hinter sich, als die meisten jungen Leute seines Alters.

Dementsprechend routiniert lässt er den zuckerlrosafarbenen Wein über den Gaumen rollen, dementsprechend geschmackssicher fällt auch sein Kommentar aus: Interessant und eigenwillig findet er den Direktträger. Weil er Wein "vor allem als Speisenbegleiter schätzt", irritiert ihn das prägnante Walderdbeer-Aroma des Uhudlers einigermaßen: "Keine Ahnung, wozu man den trinken soll". Vertrauter ist Peter hingegen die Bautechnik der für das Burgenland typischen, strohbedachten und mit Lehm gemauerten Weinkeller. "Das kenne ich von zuhause", erklärt er, "allerdings ist es in Kenia nur bei den Massai üblich, so wie hier Kuhdung zum Lehm zu mischen - bei den Luhya, zu denen ich gehöre, wird reiner Lehm verwendet." So lernen auch die Südburgenländer etwas.

Insel der Seligen

Die Tatsache, dass die Uhudler-Rebe so gut wie keine chemikalischen Schutzmittel benötigt, die EU sie trotzdem auf ihrer Abschussliste stehen hat, weckt bei Peter und den anderen Studenten den vereinstypischen Beschützerinstinkt von Slow-Food-Aktivisten.

Sieben Wochen im Jahr befinden sich die Studenten der Slow-Food-Uni auf Studienreisen, seit einigen Jahren ist eine Gruppe immer auch in Südösterreich auf Entdeckungstour. Ziel dieser Praktika ist es, den Studierenden die landwirtschaftliche und gastronomische Realität einer Region vor Ort näher zu bringen. Freilich: Die Steiermark, die die Slowfoodisten kennenlernen, wirkt tatsächlich wie eine Insel der Seligen, wie ein Stück vom viel beschworenen "Feinkostladen Europas". Als gelernter Österreicher fragt man sich bald, warum die vielen tollen Produkte so gut wie nirgends käuflich erwerblich sind, sobald man die unmittelbare Region verlässt.

Zum Beispiel die köstliche Breinwurst von der Bio-Fleischerei Feiertag in Weiz. Student Laine Steelman, ein vormaliger Koch aus San Francisco ist begeistert: "Dass Bratwürste so schmecken können, und noch dazu gesund sein sollen, war mir bisher nicht bekannt. Wow!" Ist aber so: Die Würste enthalten weder Nitritpökelsalz noch Konservierungsstoffe, dafür viel Suppengrün und Bio-Dinkel. Das Fleisch kommt ausschließlich aus artgerechter Tierhaltung, von Bauern rund um Weiz.

Zustimmung und Applaus

Artgerechte Haltung ist auch am Sonnhof bei Stiwoll das Thema. Seit 12 Jahren betreibt Heinz Carl Gerstner hier eine Schweinezucht der besonderen Art. Der ehemalige Grazer Kaufmann hält seine Mangaliza- und Turopolje-Schweine nämlich ganzjährig im Freien. "Das Schwein ist das am höchsten entwickelte unter den Tieren", deklamiert der erklärte Bewunderer des Antroposophen und Demeter-Landbau-Vordenkers Rudolf Steiner, "und dem Menschen fällt nichts anderes ein, als es einzusperren". Dafür gibt es Zustimmung, sogar Applaus von den Studenten. Auch nach mehrmaligem Nachfragen beharrt der Züchter darauf, dass die Schweine niemals einen Stall sehen oder Küchenabfälle beziehungsweise Fleisch zu fressen bekommen. Auch die Qualität von Schinkenspeck, Lardo und Salami aus dem Fleisch der Tiere spricht eindeutig für die Freilufthaltung.

Auf dem Bio-Bauernhof Geiregger in Waisenegg bei Birkfeld werden die Geheimnisse der biologischen Berglandwirtschaft erklärt. Nach dem Rotationsprinzip baut Geiregger neben Roggen, Dinkel, Buchweizen und Hirse auch die selten gewordene Sorte Roter Oststeirischer Hausmais an. Das Getreide wird in der hauseigenen Mühle gemahlen und ab Hof verkauft. Im Falle des Roggens dient es auch der Fütterung der Rinder, einer Kreuzung aus Fleckvieh und der alten, gefährdeten Rasse der Murbodner. Die Rinder sind von April bis Oktober auf der Weide und bekommen außer Gras und Stroh lediglich den Roggen als Futterzusatz. "Roggen lässt das Fett im Fleisch weiß und fest werden, während es durch Mais eher weich und gelblich wird", erklärt der Bauer.

Sulmtaler Hühner

Ein Höhepunkt der Exkursion verspricht die Herstellung von Kürbiskernöl zu werden. Geschmacklich überrascht das Öl die Studenten allerdings - und durchaus nicht einhellig positiv. Als der Preis bekanntgegeben wird, bemerkt Emanuele, einer der italienischen Studenten, dass das ja fast soviel sei, wie er für gutes Olivenöl zu Hause, in Kampanien, auch zahlen müsse.

Der Besuch des Bauernhofs Koschak in Heimschuh mit seinen hoch gelobten Sulmtaler Hühnern wird vorerst von großer Skepsis begleitet. Der Hype um das Hendl hat sich längst bis Italien herumgesprochen, erzählt Fabian Jauss, der deutsche Begleiter und Tutor der Gruppe, und das Geschäft, das man daraus machen will, sowie der prohibitive Preis von über 30 Euro pro Kilo, lösen bei den Studenten erst einmal Misstrauen aus. Doch angesichts der vorbildlichen Haltung der Tiere weicht die Skepsis bald Bewunderung.

Was bleibt, ist die Überzeugung, dass bewusste, umweltschonende Landwirtschaft in großem Rahmen möglich ist und in der Steiermark und im Südburgenland zum Teil auch praktiziert wird - und Produkte hervorbringt, die sich auch vor in dieser Hinsicht extrem verwöhntem, internationalem Publikum nicht verstecken müssen. Bleibt nur noch, das auch im eigenen Land und auch außerhalb der Slow Food Bewegung bekannt zu machen. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/25/07/2008)