Seit zweieinhalb Jahren gibt es sie, die "Halle F" der Wiener Stadthalle. Und seit gestern, Montag, weiß die Welt auch, wofür das F eigentlich steht: nämlich für "Farce". Aber Scherz beiseite: Was sich gestern auf den Hauptversammlungen (denn es waren ja gleich deren zwo) der Meinl International Power (MIP) in besagter Halle abspielte, spottet jeder Beschreibung. Hier dennoch ein Versuch:

Wortgefechte

Die erste Hauptversammlung um zehn Uhr ging noch recht unspektakulär über die Bühne: Es gab zwar auch hier schon erste Wortgefechte, vor allem zwischen Chairman Hans Haider und Alexander Proschofsky, der eigenen Angaben zufolge mehr als 250 Investoren vertrat, darunter auch viele institutionelle. Als das Board - namentlich Haider - die Abstimmung über sein Maßnahmenpaket letztlich aber doch knapp für sich entscheiden konnte, schien die Luft aus der angekündigten Revolution schon etwas draußen zu sein.

Nach der kurzen Mittagspause überschlugen sich dann aber die Ereignisse: Zunächst wurde noch im Sinne des Boards gestimmt, als es um die pauschale Abwahl desselben (mit Ausnahme Haiders) ging. Die nächsten beiden Abstimmungen brachten aber handfeste Überraschungen: Michael Treichl wurde abgewählt, der "Rebellen-Kandidat" Richard Boleat ins Board gewählt. Damit waren die Vorhaben des Boards obsolet.

Hektik und Groteske

Plötzlich wurde es hektisch. Immer lauteres Gemurmel im Saal, Anwälte tuschelten und liefen durch den Raum. Jubel und Geklatsche von Seiten der so genannten "Rebellen". Proschofsky meldete sich zu Wort und forderte das gesamte Board triumphierend zum geschlossenen Rücktritt auf.

Und dann wurde es grotesk. Haider verlautbarte, dass mehrere portugiesische Sitzungsteilnehmer schriftliche Erklärungen abgegeben hätten, dass sie sich sozusagen bei der Abstimmung geirrt hätten: Sie wollten bei den Tagesordnungspunkten 7 (die Abwahl Treichls) und 8 (die Installierung Boleats) jeweils mit "Nein" stimmen. Haider ließ den anwesenden Notar diese Stimmen nachträglich hinzuzählen - und erklärte, er habe sich mit dem anwesenden "Queen's Counsellor" (Berufstitel für einen besonders erfahrenen und verdienten britischen Anwalt, Anm.) kurzgeschlossen, dieser habe grünes Licht für diese Aktion gegeben.

Empörung im Saal. Proschofsky gab seinen Widerspruch zu Protokoll. Haider, der selbst auch oft nicht gerade diplomatisch vorging, mehrere Sitzungsteilnehmer schroff und herrisch abkanzelte, wurde beschimpft. In den hinteren Reihen rief jemand nach der Polizei.

Mit diesem - man muss es so sagen - Coup hatte das Board zwar wieder das Ruder an sich gerissen; die weiteren Abstimmungen gingen allesamt im Sinne des Boards aus.

Viele Fragen

Aber diese gestrige ao. MIP-Hauptversammlung wird als jene in die Geschichte eingehen, in der sich diese undurchschaubare Jersey-Konstruktion (MIP hat den Firmensitz auf der Kanalinsel, notiert aber in Wien) endgültig der Lächerlichkeit preisgab. Und es bleiben Fragen offen, viele Fragen. Ein paar davon wären:

  • Warum war Board-Mitglied Michael Treichl nicht anwesend? Haider sagte zu Beginn, er habe sich entschuldigen lassen. Laut einer Wortmeldung Proschofskys steht Treichl im Verdacht, noch am Samstag Anlegern indirekt den Kauf ihrer Zertifikate zu einem überhöhten Preis (8 Euro) angeboten zu haben.
  • Warum hat das Board nichts dafür getan, dass die Vorwürfe, die im Raum standen - dass nämlich einige Vertreter der portugiesischen Delegation sich möglicherweise bei der entscheidenden Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 7 gar nicht im Raum befunden, sprich abgemeldet hatten -, aufgeklärt werden? Die Abstimmung über eine Vertagung ging mit 60:40 Prozent dagegen aus.
    Auch die Board-Mitglieder Haider und Heinrich Schwägler, denen eigenen Angaben zufolge mehrere Millionen Stimmrechte übertragen worden waren, haben mit den ihnen überantworteten Stimmen geschlossen gegen eine Vertagung gestimmt - ohne letztlich damit beauftragt worden zu sein, weil diese Abstimmung naturgemäß kein Tagesordnungspunkt war. Hier hätte das Board eine kleine Geste setzen können, auch wenn die Abstimmung trotzdem verloren gegangen wäre. Der Antrag zur Vertagung hätte vorgesehen, dass der anwesende Notar Dr. Brix anhand der Audioaufzeichnungen abklärt, was mit den Stimmen der Portugiesen wirklich passiert ist (eine Videoaufzeichnung wurde nicht vorgenommen).
  • Wieso wurde nicht darüber abgestimmt, ob die Stimmen zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8 neu ausgezählt werden sollen? Laut anwesenden Rechtsanwälten wäre dies verpflichtend gewesen.
  • Welche Rolle spielte Karl-Heinz Grasser? Der Chef (und Teilhaber) der Management-Gesellschaft der MIP, der sich nur als "Zaungast" der gestrigen HVs verstand, schwirrte oft im Saal umher und war letztlich auch derjenige, der sofort mit den offenbar etwas verwirrten Portugiesen Kontakt aufnahm.

Alle diese Dinge wird man sich - nicht zuletzt als möglicher MIP-Anleger - sehr genau anschauen müssen. (Martin Putschögl, derStandard.at, 29.7.2008)