Wien - "Das ist keine rote Justiz und keine Schmutzkübelkampagne" , hatte Richter Peter Liebetreu bereits am Dienstag in seiner Urteilsverkündung gegenüber BZÖ-Chef Peter Westenthaler betont (neun Monate bedingt wegen falscher Zeugenaussage, der Standard berichtete). Anschließend erinnerte er ausführlich an die Prozesse gegen Fred Sinowatz und die ehemalige Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofes, Ingrid Petrik. Das war kein Zufall. Denn Liebetreu hat tatsächlich jahrzehntelange Erfahrung, wenn es um Prozesse wegen falscher Zeugenaussage durch prominente Persönlichkeiten geht.

Bei dem Verfahren gegen den ehemaligen Bundeskanzler und SP-Vorsitzenden Fred Sinowatz im Jahr 1988 war Liebetreu der zuständige Untersuchungsrichter. Er war es, der die parlamentarische Auslieferung des SP-Politikers beantragte. Ihm war auch aufgefallen, dass bei der Frage, ob Sinowatz bei einer Sitzung des burgenländischen SP-Vorstandes 1985 über die Causa Waldheim gesprochen habe, sämtliche Zeugen, ohne gefragt zu werden, exakt dieselbe Aussage gemacht hatten. Alle - außer der damaligen SP-Klubchefin Ottilie Matysek, deren Aussage schließlich zur Verurteilung von Sinowatz führte.

Im Prozess gegen Ingrid Petrik war Liebetreu bereits selbst der Einzelrichter. Petrik hatte im parlamentarischen U-Ausschuss zur Noricum-Affäre ausgesagt, dass sie ein Telefax des früheren Botschafters in Athen, Herbert Amry, nie gesehen habe. Amry hatte darin davor gewarnt, dass Waffen der Firma Noricum nicht nach Libyen, sondern illegal in den Iran gehen könnten. Petrik wurde von Liebetreu 1991 wegen falscher Zeugenaussage zu einer Geldstrafe von 270.000 Schilling verurteilt.

Dass Liebetreu nun vom BZÖ als Vertreter einer "politisch gefärbten Justiz" attackiert wird, lässt sich auch an weiteren Stationen seiner Laufbahn in keiner Weise ablesen. So war Liebetreu etwa beisitzender Richter im Udo-Proksch-Prozess. 1987 organisierte er als Gewerkschaftsvertreter auch Protestaktionen gegen den damaligen Kanzleramtsminister Franz Löschnak (SP) wegen geplanter Sparmaßnahmen. Im Februar dieses Jahres wiederum kritisierte er nach seinen Schuldsprüchen im Visa-Prozess auch das Außenministerium scharf.

Und es war Liebetreu, der einerseits den Holocaust-Leugner David Irving zu drei Jahren Haft verurteilte - und andererseits nach der "Operation Spring" das Verfahren gegen Frank W. leitete, der wegen Suchtgift-Großhandels zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD Printausgabe, 31. Juli 2008)