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Marina Poplavskaya als Desdemona bringt ein wenig Lebendigkeit in die starre Salzburger "Otello"-Inszenierung.

Foto: APA/Prammer

Salzburg - Umgarnt vom Motto "Denn stark wie die Liebe ist der Tod" soll im musiktheatralen Salzburg alles konzeptuell zusammenhängen. Womöglich aber, so dachte man, stand dieser freitägige Otello, als Konzert mit Kostümen, zusätzlich auch in einer quasi mahnenden Beziehung zur Romeo-Premiere, die samstags folgen sollte. Der sich im 16. Jahrhundert abspielende szenische Minimalismus mit dem Hang zur Figurenversteifung war allerdings in seiner Starre dann wiederum nicht konsequent genug, um als bewusstes "Es kann nur lebendiger werden"-Konzept durchzugehen.

Anhand der rührenden Versuche auszubrechen, war unschwer zu erkennen, dass schlicht rätselhaftes Unvermögen die Regie von Stephen Langridge lähmte. Die Chormassen standen ja nicht immer wie eine Terrakotta-Armee herum, sie reckten mitunter Hände, und manch Dame zeigte im Sinne des Aufreizenden Bein. Otello wiederum hämmerte seine Wut auch am Boden liegend in eben diesen, als würde er Nägel einschlagen. Ein bisschen ulkig.

Bröckelnde Gesellschaft

Der prunkvoll kostümierte Mix aus Starre und unfreiwilliger Komik steht in einer grauen Fassadenlandschaft, die aussieht wie ein Übungsplatz für Antiterrortruppen. Rostige Wände deuten zusätzlich auf eine bröckelnde Gesellschaft hin, etwas Aufhellung bringt eine Öffnung, die uns Meer, Außenwelt oder Palastwelt präsentiert. In der Mitte zudem eine schräge Glasspielfläche, die irgendwann zerbricht. Nun, ja. Solch Ambiente hätte durchaus Platz geboten für intensive Durchleuchtung des Seelischen.

Von Anbeginn an jedoch hat dieser Otello nur miese Laune - auch Erinnerungen an schöne Liebeszeiten mit Desdemona können Aleksandrs Antonenko, der eine kleine, sehr schöne, dunkle Stimme hat, nicht erheitern. Sehr eindimensional. Marina Poplavskaya (als Desdemona) immerhin wirkt lebendig. Sie verfügt zwar über keine tragfähigen Tiefen, aber über eine samtige Mittellage und helle Höhen, mit denen sie viel Pianissimo-Risiko nimmt. Im vierten Akt ist die Stimme ganz bei sich.

Insbesondere aber dort, wo man das Zentrum aus Ambivalenz und Düsternis vermutet hätte, bei Jago, ist leider nur eine Art intriganter, sympathischer Falstaff ohne Bauch: Auch dort, wo Carlos Álvarez das Innere der Figur nach außen kehrt, bleibt er der noble Sänger an der Charakteroberfläche. So scheint das Ganze nach dem szenisch desinteressierten Geschmack von Riccardo Muti gestrickt zu sein, der mit den Wiener Philharmonikern immerhin das Dramatische so prunkvoll gestaltet wie das Kammermusikalische.

Da ist sinnstiftende Energie, eine allerdings, die die Sänger bisweilen unhörbar macht. Dass Stephen Costello (als Cassio) ein vorzüglicher Tenor ist, blieb immerhin erkennbar. Gewaltiges hatte die Schneiderei der Festspiele da geleistet. Sollte Hollywood Outfits für Historienschinken benötigen, Salzburg könnte zum Lieferanten werden. Dann hätte dieser Otello zumindest einen Sinn gehabt. (tos, DER STANDARD/Printausgabe, 04.08.2008)