Düsseldorf/Frankfurt - Große bunte Bilder, einfache Texte und ein reicher Fundus an Sachwissen: "Saphir", das erste Schulbuch für den islamischen Religionsunterricht in Deutschland wird ab Mittwoch erstmals an Schulen in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Bayern, Bremen und Niedersachsen eingesetzt. Fünft- und Sechstklässler sollen damit die Botschaft des Koran verstehen lernen. Islam-Unterricht gibt es bisher nur vereinzelt an deutschen Schulen, Vorreiter ist Nordrhein-Westfalen. Schon seit 1986 wird Islamkunde in dem bevölkerungsreichsten Bundesland angeboten, seit 1999 auch als eigenständiges Unterrichtsfach in deutscher Sprache.

Rund 65 muttersprachliche Lehrer und 20 Islamwissenschafter unterrichten in Nordrhein-Westfalen nach Ministeriumsangaben etwa 8.000 Schüler an 120 Schulen. Bisher konnten sich die Lehrer für ihren Unterricht jedoch nur an einem Lehrplan orientieren und weitergehende Materialien in Fortbildungen erarbeiten. Das sei ein deutlicher Mangel gewesen, sagte "Saphir"-Mitherausgeberin Lamya Kaddor, die auch Islamkunde an einer Hauptschule in Dinslaken lehrt. "Lose Papiersammlungen ersetzen kein Schulbuch", betonte sie. Das Buch soll nach dem Willen der Herausgeber aber nicht nur den Unterricht erleichtern. "Das ist auch ein politisches Signal", sagte Kaddor. "Saphir" solle ein Zeichen setzen, um Islamunterricht als Schulfach christlichem Religionsunterricht gleichzustellen. Die bisherige Islamkunde sieht Kaddor als "Übergangsmodell".

Keine Erziehungsfunktion sondern Sachunterricht

Islam-Unterricht wird bisher vor allem als Sachunterricht mit informierendem, neutralem Charakter erteilt. Anders als christlicher Religionsunterricht hat er damit keine Erziehungsfunktion. In Nordrhein-Westfalen laufen derzeit Verhandlungen, Islamunterricht auch in Form eines solchen Bekenntnisunterrichts anzubieten, sagte Schulministeriumssprecher Jörg Harm.

Im März hatten sich Bund und Länder mit muslimischen Verbänden auf der dritten Islam-Konferenz in Berlin darauf verständigt, dass islamische Religion ordentliches Unterrichtsfach an deutschen Schulen werden soll. Allerdings erklärten sich nicht alle Bundesländer zur Einführung des Islamunterrichts bereit. Das deutsche Grundgesetz schreibt vor, dass Religionsunterricht "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt" wird. Muslimische Verbände planen, Religionsgemeinschaften zu bilden. Deren Lehrinhalte und Lehrerausbildung müssen noch abgestimmt werden.

Verbindung zwischen christlicher und muslimischer Lebenswelt

"Der Unterricht wirkt sich auf die Integration sehr positiv aus", sagte Corinna Fischer, Sprecherin des Kultusministeriums von Niedersachsen. "Es zeigt muslimischen Schülern, dass sie ernst genommen werden", erklärte der nordrhein-westfälische Schulsprecher Harms. Islamkunde leiste außerdem einen Beitrag zur Aufklärung und Integration von Muslimen. Auch das erste Schulbuch für den Islamunterricht soll zeigen, was die christliche und muslimische Lebenswelt verbindet. So erklärt "Saphir" nicht nur die wichtigsten muslimischen Begriffe und Rituale, sondern gibt auch einen Einblick darüber, was es heißt, als Muslim in Deutschland zu leben.

In Hessen ist es inzwischen erstmals zu einer Übereinkunft zwischen Christen und Muslimen über den Missionsbegriff gekommen. Beide Weltreligionen fühlen sich zu allen Menschen gesendet ("Mission" bzw. "da'wa"). Die hessische Übereinkunft wurde laut Kathpress von Beauftragten der beiden evangelischen Landeskirchen, der islamischen Religionsgemeinschaft und der deutschen Zweigorganisation des türkischen "Diyanet" (DITIB) unterzeichnet. Ausdrücklich heißt es in der Übereinkunft: "Jeder Mensch hat das Recht, die Religion seiner Wahl anzunehmen". Jede Form von Gewalt, Diskriminierung, sozialer Missachtung und Verfolgung, die sich gegen das Recht auf Religionsfreiheit und Glaubenswechsel wendet, sei abzulehnen.

Glaube sowohl öffentlich als auch privat leben

Die Religionsfreiheit, wie sie im deutschen Grundgesetz ihren Niederschlag gefunden hat, und die Gedanken-, Gewissens-, und Religionsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention seien "unveräußerliche Rechte", wird in der hessischen Übereinkunft festgestellt. Weiter heißt es wörtlich: "Wir interpretieren unsere religiösen Traditionen so, dass jeder das Recht hat, seinen eigenen Glauben sowohl privat als auch öffentlich zu leben und sich die Religionsgemeinschaft zu wählen, in der er seinen Glauben praktizieren möchte. Niemand darf zum Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft genötigt oder am Verlassen seiner Religionsgemeinschaft gehindert werden". Jedes Umwerben, das den Religionswechsel "durch Gewalt oder Manipulation" zu erreichen versuche, sei abzulehnen.(AP/APA)