Skandale und Schlagzeilen mal drei: Was ist los in den österreichischen Ärzte-Schmieden? Österreichs Uni-Mediziner als Diener zweier Herren: forschen und lehren (hier mit Studierenden im AKH Wien) für die Uni, Patienten betreuen für das Land.

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Wien - Gefälschte Studien, ein geschasster Rektor, Intrigen unter prominenten Weißkitteln mit tiefen Untergriffen ins Private - damit machten die Medizin-Unis in letzter Zeit Schlagzeilen. "Morbus Medizin-Uni"? Ein Blick auf das Röntgenbild der Ärzte-Schmieden zeigt noch ganz andere Schatten, die für die seit 2004 ausgegliederten Medizinischen Fakultäten gravierende Probleme bedeuten.

Nicht die Trennung von ihren Mutter-Unis (in Wien nach 639 gemeinsamen Jahren, in Graz nach 141, in Innsbruck nach 135) macht ihnen zu schaffen, sondern primär das ungeklärte Verhältnis zu den Ländern, die als Spitalserhalter für die Krankenversorgung in den Uni-Kliniken zuständig sind. Den Unis "gehören" Lehre und Forschung.

"Die geteilten Verantwortlichkeiten sind das gravierendste Entwicklungshemmnis für die Medizin-Unis", sagt dazu der deutsche Vorsitzende des Medizinischen Ausschusses des Österreichischen Wissenschaftsrates, Zellbiologe Horst F. Kern, im Standard-Gespräch. "Für die Hochschulmedizin ist charakteristisch, dass Lehre, Forschung und Krankenversorgung eine Einheit bilden", erklärt der frühere Präsident der Uni Marburg: "In Österreich ist die Zuständigkeit für die Bereiche geteilt."

Das bringt den Med-Unis massive Nachteile. Sie sind zur Quersubventionierung der Länder genötigt, die der Wissenschaftsrat bereits im Februar als "unzulässige Verwendung von Bundesmitteln für die Krankenversorgung" kritisiert hat.

Eine Med-Uni muss etwa aus ihrem Budget die Ärzte auch dann bezahlen, wenn sie schlafen, also Nachtdienste finanzieren, die mit dem Lehr- und Forschungsauftrag einer Uni nichts zu tun haben, wohl aber für die Patientenbetreuung notwendig sind - und daher eigentlich in die Verantwortung des Spitalsträgers Land fallen. Jetzt zahlt die Uni - und der fehlt das Geld für Forschung und ordentliche Gehälter für wissenschaftliche Mitarbeiter, kritisiert Ex-Wissenschaftsminister Erhard Busek.

Der von der Regierung entsandte Vorsitzende des Uni-Rats der Med-Uni Wien sieht als die große Malaise der Med-Unis, "dass sie de facto zwei Herren dienen müssen. Die Gemeinde Wien schubst uns immer mehr Versorgungsauftrag zu, indem sie Wochenenddienste und Notfallambulanzen reduziert. Der Bund zahlt da einiges an Versorgungsauftrag der Länder mit."

Beispielhaft nennt er die AKH-Uni-Kliniken: "Da gibt es 180 Anästhesisten. Kein Mensch braucht für Lehre und Forschung 180 Anästhesisten." Zahlen muss sie die Med-Uni, auch wenn sie vor allem für den Krankenversorgungsauftrag des Landes nötig sind. Als Ausweg schlägt Busek eine für österreichische Verhältnisse ketzerische Lösung vor: "Nur einen Dienstherren. Ich war immer der Meinung, dass die Spitäler für die Medizin-Unis Bundesspitäler sein sollten."

Auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn hält es "a priori für keine abwegige Idee, dass die Uni auch ein Spital führt" - redimensioniert auf die Bedürfnisse einer Uni: "Laut Experten braucht ein Uni-Spital etwa 800 Betten, um Forschung und Lehre gerecht zu werden. Das AKH hat über 2000 Betten. Da schwingt viel mit, wovon die Stadt Wien sehr profitiert."

Hahn hat die "Miterfüllung des Versorgungsauftrags, den die Unis durch ihre Ärztinnen und Ärzte leisten", schon ins Visier genommen: Er will "eine klare Trennung - was ist Versorgung, was ist Forschung und Lehre". Eine von ihm installierte Arbeitsgruppe soll im Februar 2009 Bericht erstatten. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2008)