Wien - Der Druck auf die alleinregierende Wiener SPÖ ist im Zusammenhang mit dem Thema Gratis-Kindergarten gestiegen: Die Oppositionsparteien fordern den Gratis-Kindergarten. Die SP-regierte Steiermark macht vor, dass dies funktionieren kann: Am Dienstag beschloss der Landtag den Gratis-Kindergarten für alle Drei- bis Sechsjährigen. Und auch in Deutschland fordern die Sozialdemokraten den Gratis-Kindergarten.

Bürgermeister Michael Häupl trat die Flucht nach vorne an und forderte zunächst den Schulstart ab fünf, beziehungsweise das verpflichtende Vorschuljahr. Da Vorschule mit Rechnen- und Schreibenlernen assoziiert wurde, besann man sich eines Besseren und nannte das ganze "Bildungsjahr".

Von einem Gratis-Kindergarten will man in Wien, wo die Kindergartenbeiträge wie in den meisten Bundesländern sozial gestaffelt sind, weiterhin nichts wissen. Es würde ohnehin ein Drittel den Kindergarten gratis besuchen, und die vollen Kosten trage ebenfalls nur ein Drittel der Eltern, lautet die Argumentation.


Kinder kommen nicht

Für Verwunderung sorgt nun eine Aussage von Bildungsstadträtin Grete Laska (SPÖ). Sie findet nämlich, dass durch ein Gratisangebot "die Motivation zum regelmäßigen Besuch des Kindergartens nicht begünstigt" werde. "Im Gegenteil, häufig ist der Besuch von Kindern, die den Kindergarten gratis besuchen, sehr unregelmäßig", sagt Laska in einer Anfragenbeantwortung der Grünen. Viel mehr bewirke "ein der Leistbarkeit der Familie angepasster Betrag", sagt Laska. Claudia Smolik, Kindergartensprecherin der Grünen, ist erbost: "Das kann ich nicht fassen", sagt sie. Sie hatte an die Stadträtin einen Antrag gestellt, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie in den kommenden Jahren der Gratis-Kindergarten durchgeführt werden könne. Auf Bundesebene fordern die Grünen die letzten zwei Kindergartenjahre gratis, dafür verpflichtend. "Es ist eine Chuzpe von einer Sozialdemokratin, so zu argumentieren", sagt Smolik.

Dass Kinder, die den Kindergarten gratis besuchen, schwänzen, davon weiß die zuständige Magistratsabteilung (MA 10) nichts. "Wir machen dazu keine Erhebungen", sagt eine Sprecherin. Laska fühlt sich missverstanden: Mit dieser Antwort wollte sie darauf hinweisen, dass der Gratis-Kindergarten allein kein Patentrezept sei, um den Kindergarten zu einer Bildungseinrichtung zu machen, sagt ihre Sprecherin Monika Sperber. Die Eltern müssten einsehen, dass es sich beim Kindergarten um eine "Ergänzung der Familienerziehung" handle.

Die Wiener Volkspartei wird auf ihre Anfrage an Laska, die sie am Donnerstag im Sonderlandtag einbringen will, möglicherweise die gleiche Antwort bekommen wie die Grünen. Die ÖVP fordert einen "gebührenfreien" Kindergarten für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Auf Bundesebene will die ÖVP den Gratiskindergarten, allerdings nur vormittags anbieten. Dieses Modell gibt es schon im VP-regierten Niederösterreich und BZÖ-regierten Kärnten. Für den Nachmittag gibt es Förderungen. Der Rechnungshof kritisierte in Wien, dass der Kindergarten teuer sei. Doch dafür sei das Angebot, Ganztagsbetreuung und wenige Schließtage, im Gegensatz zu den anderen Bundesländern gut.

Seien es nun Gratis-Kindergarten, gratis Vorschule oder Gratis-Bildungsjahr: Die drei Modelle unterscheiden sich nur in ihrer Begrifflichkeit und darin, dass (Vor-) Schule Bundessache, der Kindergarten Ländersache ist. Um die Aufteilung, wie viel nun der Bund und wie viel die Länder für das Bildungsjahr zahlen sollen, wird sich wohl die neue Bundesregierung kümmern müssen.(Marijana Miljkovic/DER STANDARD-Printausgabe, 3. September 2008)