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Peter Scholz und Sandra Cervik in "Buddenbrooks"

APA-FOTO: DIETMAR STIPLOVSEK

Wien - In seiner Buddenbrooks-Theaterfassung hat John von Düffel Thomas Manns stürzende Satzflüsse zu vielen schlichten Hauptsätzen verknappt und die Handlung des annähernd 800 Seiten starken Jahrhunderteromans, der den "Verfall einer Familie" erzählt, auf schnelle, pointierte Kurzszenen heruntergebrochen. Herbert Föttinger inszenierte diese, nach einer Sommer-Koproduktion in Bregenz, nun auch im Theater in der Josefstadt als sich überlagernde Sequenzchen: kleine Roman-Happen, die sich rasch abwechseln, Stimmungen andeuten; "Appetizer" , die aus ansprechend arrangierten Gruppenbildern immer nur kurz Bewegung erzeugen.

Das Bemerkenswerte dieser Dramatisierung ist von Düffels Verdienst, trotz aller Reduktion, die sich natürlich immer nur auf Kosten des Romans, nie zu seinem Gewinn ergibt, dessen sprachliche Feinheiten, Manns akribisches Abwägen der Worte, hervorragend zu transportieren. Feinheiten, die die Josefstadt-Schauspieler bedauerlicherweise nicht ganz so adäquat zu kultivieren wissen.

Hinsichtlich der Abbildung der vielen Schichten, die Mann übereinandertürmte, erkennt man zwar eine gute Bildidee hinter Föttingers Regie, an deren szenischer Umsetzung scheitert dieser dennoch: In Rolf Langenfass' Längsschnitt des Buddenbrook'schen Hauses, das in drei sich überlagernden Raumschichten, welche in Überlappung bespielt werden, weit ins Bühneninnere hineinreicht, öffnen und schließen sich unentwegt die Türen. Dahinter mag der gesamte Roman sich in vielen Geschichten ereignen - das Sichtbare macht nur Teile des großen Ganzen aus.

Die szenische Mangelhaftigkeit entsteht aus Bewegungs- und Tempoproblemen: Föttingers Szenchen wirken wie Erinnerungsbilder, die meist kurz hängen, ehe sie ineinander übergehen; die Stimmungen wechseln gar plötzlich. Es wird allzu deutlich, dass Manns Prosa als Kittmasse zwischen den Dialogzeilen nicht kompensiert werden kann. Pose ersetzt kein Spiel - der "steifen" Gesellschaft, die von der Beleuchtung in Auslagen gestellt wird, fehlt oft die Bewegung.

Es geht indes flugs durch 50 Jahre Familiengeschichte: Die junge, aufmüpfige Tony (Sandra Cervik, die tapsig und grob Tonys Eleganz verkennt) drängt schon ins Bild, noch ehe das kleine Kind Tony aus dem festlichen Weihnachtszimmer geführt wurde.

Die Sanddünen von Travemünde türmen sich im Hintergrund bereits auf, wenn der alte Konsul (Joachim Bißmeier) mit seiner Gattin (Else Ludwig) noch im schwarzgetäfelten Salon die Unentschlossenheit der wilden Tochter bespricht. Tom (Gabriel Barylli spielt unentschlossen und lasch) tritt für kurze Monologe, die er ans Publikum richtet, immer wieder an ein Mikrofon am Bühnenrand; Christian, der verlorene Sohn (spritzig: Michael Dangl), eilt mit seinem Seesack zu Clubmusiktönen (Christian Brandauer) zwischen London und Valparaíso von der linken zur rechten Schiebetür.

Von Düffels Fokus auf den Untergang des Kaufmannsunternehmens - denn jener der Familie, des Epochendramas würde alle theatralen Formen sprengen! - kommt durch die tadellos drapierten Standbilder und gut laufenden Oneliner, von einem insgesamt sehr enttäuschenden Ensemble gebracht, aber nicht durch. Die Szenen vermitteln Beliebigkeit, unentschlossen wirkt die Gewichtung der Familien- und Erzählstränge. Und die Firma, der sich Manns Tony und Tom so uneigennützig verschrieben haben, bleibt ein unangetasteter Fremdkörper. (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.09.2008)