Freda Meissner-Blau zu Van der Bellen: "Ich verstehe, dass er verletzt und müde ist."

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Wien - Scharfe Kritik an den Grünen übt Partei-Gründerin Freda Meissner-Blau. Die Partei habe im Wahlkampf auf die falschen Schwerpunkte gesetzt, "urgrüne Themen" wie die Gesundheitspolitik habe sie gänzlich vermisst, Klimaschutz habe man nur am Rande angesprochen, bedauert die ehemalige Politikerin im APA-Gespräch. Dem scheidenden Parteichef Alexander Van der Bellen wirft sie vor, nach dem mäßigem Abschneiden bei den Wahlen "die heiße Kartoffel zu schnell fallen gelassen" zu haben. Nachfolgerin Eva Glawischnig werde angesichts der anstehenden innerparteilichen Reformen "einiges zugemutet", meint sie.

"Ich verstehe, dass er verletzt und müde ist", räumt die ehemalige Politikerin zum Rückzug Van der Bellens ein, trotzdem hätte sie eine "geordnete Übergabe" für sinnvoller gehalten, betont sie. Zumindest so lange die Regierung noch nicht steht, hätte der Professor "interimistisch" noch im Amt bleiben sollen.

"Das war nicht sehr gut"

Auch teilt Meissner-Blau die Bedenken des EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber hinsichtlich einer mangelhaften Personaldebatte in der Partei. Voggenhuber hatte gemeint, mit der Designierung Glawischnigs werde die Entscheidung der Basis am Grünen Bundeskongress vorweggenommen. "Das war nicht sehr gut", sagt auch Meissner-Blau zur Nominierung Glawischnigs durch den erweiterten Bundesvorstand.

Dadurch habe man eventuellen Gegenkandidaten die Chance verbaut, fällt sie ein ähnliches Urteil wie ihr ehemaliger Parteikollege."Kompetente Leute gibt es genug", glaubt Meissner-Blau und nennt Sozialsprecher Karl Öllinger und Oberösterreichs Parteichef Rudi Anschober als Beispiele. Gegenkandidaturen beim Bundeskongress hält sie jedenfalls für wünschenswert.

Zurückhaltend gibt sie sich zur Qualifikation Glawischnigs. "Ich hoffe, dass sie es dahebt", so ihr Kommentar. Es gelte jetzt jedenfalls die Neo-Chefin zu unterstützen, betont sie weiters. Schließlich sei die "Arme" nun in der Zwickmühle, einerseits wieder verstärkt grüne Themen zu besetzen und andererseits die konservativen Wähler zu halten.

Mit Sorge beobachtet die 81-jährige jedenfalls, dass "so viele urgrüne Wähler abspringen". Fehler attestiert sie der Partei nicht nur inhaltlicher Natur sondern auch bezüglich ihrer Strategie. So habe sie sich über den "Personenkult" rund um Van der Bellen im Wahlkampf "geärgert". Statt das Budget in Plakate zu stecken, hätte man das Geld vielmehr in konkrete Projekte investieren können und somit eine viel größere Breitenwirkung gehabt, so ihre Analyse.

"Ein Vollprofi übernimmt"

Bei den aktiven Grün-Politikern scheint man mit dem Führungswechsel hingen vollauf zufrieden zu sein. "Sehr froh, dass das ein Vollprofi übernimmt" ist der Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr. "Ihre Kompetenz ist bei allen Grünen unbestritten", versichert der Tiroler Landesparteichef Georg Willi. Sicherheitssprecher Peter Pilz und Sozialsprecher Karl Öllinger sind mit Glawischnig "sehr zufrieden". Eine "hohe und ausreichende Zustimmung" beim Bundeskongress prophezeit der steirische Grünen-Chef Werner Kogler.

Etwas weniger euphorisch gibt sich Vorarlbergs Grünen-Landessprecher Johannes Rauch. Er glaubt, dass angesichts zu bewältigender Reformen Glawischnig ein "kälterer Wind ins Gesicht blasen wird". Er plädiert für eine stärkere Einbindung der Länderorganisationen in die Parteiarbeit, ist in diesem Punkt aber "zuversichtlich", da Glawischnig offensichtlich bereit sei, an einer Öffnung der Parteispitze zur arbeiten. (APA)