Richard O'Brien

Foto: Hugo Glendinning

Von Groucho Marx stammt die vielzitierte Versicherung, einem Klub, der ihn als Mitglied aufnehme, wolle er nicht angehören. Eher verkehrt herum verhält es sich mit dem diesem Ausspruch zu Ehren gegründeten Groucho Club in der Londoner Dean Street. In diesem Privatklub mitten in Soho trifft sich die Kunst- und Medienszene. Der Klub, in dem man über enge, verwinkelte Treppen zu den Bars und Separees gelangt, ist ein Ruhepol inmitten einer krachend lauten Stadt. Denn mobiles Arbeitsgerät, Handys sind hier, so die Klubregeln, "ein Bannfluch, ein Horror, ein Grausen, eine Widerwärtigkeit".

Dafür ist man hier in der Mittagspause außergewöhnlich entspannt. Richard O'Brien empfängt nach dem Lunch im Billardraum. Er schwärmt von Wien, erkundigt sich nach seinem Freund Hans Gratzer und erklärt sodann noch einmal seine seit 35 Jahren weltberühmte Rocky Horror Show, deren Neuinszenierung nun in Berlin Premiere hatte und die danach (27. November bis 11. Januar, Museumsquartier Halle E) in Wien zu sehen sein wird:

Hänsel und Gretel verlaufen sich in bitterkalter Dunkelheit im tiefen Wald. Sie stoßen auf ein Lebkuchenhäuschen mit einer bösen Hexe, in dem sie eine Nacht verbringen. Die Geschichte des Spießerpaares Brad und Jane, die im Regen im Schloss des schrägen Frank 'n' Furter landen, sei schlicht ein Märchen.

Dass das Musical - vor allem dank der Verfilmung The Rocky Horror Picture Show, die in manchen Programmkinos über Jahre hinweg zu sehen war - dann zur großen Mitmachparty geworden ist, tut dem keinen Abbruch. "Die Party darf nicht die Geschichte überlagern" , sagt zwar O'Brien. Doch sogar das Berliner Premierenpublikum kommt im Transvestiten-Kostüm, befolgt brav das traditionelle Aktionsprogramm: In der Regenszene wird mit Wasserpistolen gespritzt und mitgetanzt, es werden Klopapierrollen geworfen und festgelegte Zwischenrufe gestreut. Wer die Rocky Horror Show allerdings als Sinnbild grenzenloser (sexueller) Freiheit verstehen möchte, wird von O'Brien, der sich in den Siebzigerjahren von Science-Fiction-Literatur und B-Movies inspirieren ließ, sachte korrigiert: "Es geht genau darum, dass eben nicht alles erlaubt ist." Das Thema der Show sei nicht die sexuelle Befreiung, sondern Amerika. "Wir sehen, wie der American Dream sauer wurde" , sagt O'Brien. "Der American Dream ist 1958 wahrgeworden - bloß der Vietnamkrieg und die furchtbare Außenpolitik der Regierung haben ihn wieder heruntergezogen."

Daran habe sich - "heute, wo McCain eine Sarah Palin vorgestellt hat" - wenig geändert. Politiker seien Wölfe: "Furchterregende Menschen - schauen Sie sich nur die Zähne von John McCain an!" McCain, der böse Wolf. Wir sind wieder beim Märchen. Bei Rocky Horror.

Verwässerter Stoff

Dessen Neuinszenierung (durch Sam Buntrock) war dringend nötig, sagt O'Brien, der im Film den schrägen Diener Riff Raff verkörpert hat. "All das, was die Kraft des Stoffes über die Jahre verwässert hatte, musste verändert werden." Vor allem die neuen Schauspieler täten der Show gut, die alte Besetzung habe sich schon zu viel in die Show eingebracht, ihr durch konzentriertes "sexy" Verhalten Spannung geraubt. Falsch. "Zeig uns nicht deinen Hintern, wir wollen ihn nicht sehen - das steht schon im Stück!", spricht der Meister streng. "Sie hatten nicht genug Vertrauen in das Stück." O'Brien hofft nun, dass dem Zuseher mit der Neuinszenierung "etwas Klassischeres gezeigt wird. Klassisch im Sinne von Rocky."

Dass nun zeitgleich auch eine Neuverfilmung des Stoffes geplant ist, bereitet O'Brien allerdings weniger Freude. Von einem Rocky-Revival will er nichts hören. "Lou Adler möchte mehr verdienen. Das ist alles. Ich verstehe die Absicht von Fox, die die Filmrechte haben. Aber es ist Adler, der mehr Geld aus Rocky machen möchte - Geld, das bereits gemacht wurde. Es wurde genug verdient. Das verärgert mich sehr. Ich bin hier über die Jahre sehr schlecht behandelt worden. Aber ich wünsche ihnen Glück."

Vielleicht wäre es nun an der Zeit für eine ganz neue RH-Show, eine Fortsetzung? Ja, ein erster Entwurf dafür läge bereits bei ihm in der Schublade, sagt O'Brien, aber "außer Terry Jones von Monty Python hat den noch niemand gesehen". (Isabella Hager aus London, DER STANDARD/Printausgabe, 04.11.2008)