Bild nicht mehr verfügbar.

Der Schulversuch soll die SchülerInnen nicht abschrecken, sondern locken, meint AHS-Direktor Georg Waschulin.

Foto: APA/Schneider

Das Bundesrealgymnasium in der Kandlgasse ist in Wien bisher die einzige AHS, die ab nächstem Jahr den Schulversuch "Wiener Mittelschule" starten wird. Circa 70 Prozent der Eltern haben sich für das neue Schulmodell ausgesprochen und auch unter den LehrerInnen wurde die geforderte Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht. DerStandard.at sprach mit Direktor Georg Waschulin über Eltern, die ihre hochbegabten Kinder lieber an eine Mittelschule als an ein Privatgymnasium schicken möchten, und die Befürchtungen und Ängste, die es im Vorfeld gab.

***

derStandard.at: Ihre AHS ist die erste und bisher einzige, die nächstes Jahr den Schulversuch der "Wiener Mittelschule" starten wird. Wie haben Sie es geschafft, sowohl Eltern als auch LehrerInnen zu überzeugen?

Waschulin: Wir wissen, was es bedeutet, wenn zwei Lehrer in einer Klasse tätig sind. Denn seit vier Jahren gibt es an unserer Schule Integrationsklassen für gehörlose Kinder und deshalb doppelte Betreuung. Im Gegensatz zu anderen AHS haben wir also schon Erfahrungen damit. Der neue Schulversuch bringt uns noch mehr Vorteile. Wir können jetzt Klassen in zwei Gruppen aufteilen und in verschiedenen Räumen arbeiten. Das ist ein gewaltiger Unterschied, denn das war bisher nicht möglich.

derStandard.at: Welche Ängste und Befürchtungen gab es von Seiten der LehrerInnen und Eltern?

Waschulin: Angst, dass der Schulversuch der Untergang des Abendlandes sein würde, gab es zum Glück keine. Aber viele haben einen Niveauverlust befürchtet. Es fängt ja schon beim Begriff "Mittelschule" an. Der ist eng verwandt mit der KMS (Kooperative Mittelschule) und damit assozieren viele eine Restschule. Ich habe also meinen Kollegen klarmachen müssen, dass sie weiterhin vollwertige AHS-LehrerInnen sind. Wir werden unser Niveau auch weiterhin beibehalten. Die Angst, dass wir zur Hauptschule werden, ist unbegründet. Und dass die AHS-Lehrerschaft dann weniger verdienen wird, wie es manche Gewerkschaften prophezeit haben, stimmt nicht.

derStandard.at: Wie war die Stimmung unter den Eltern?

Waschulin: Das Engagement war abhängig davon, ob noch ein weiteres Kind an diese Schule kommen wird. Denn die Eltern stimmen ja darüber ab, welche Schulform nächstes Jahr mit einer ersten Klasse gestartet wird. Das betrifft sie möglicherweise gar nicht mehr. Diejenigen, die vorhaben ein weiteres Kind an unsere Schule zu schicken, haben sich entweder dafür oder dagegen ausgesprochen. Die Eltern, die ein Kind in den Integrationsklassen haben, waren mit überwältigender Mehrheit dafür.

derStandard.at: Befürchten Sie nicht, dass durch den neuen Schulversuch möglicherweise die Schülerzahlen zurückgehen könnten?

Waschulin: Nein, soweit das jetzt zu beurteilen ist, nicht. Wir hatten letzten Freitag "Tag der offenen Tür", kurz nachdem bekanntgegeben wurde, dass wir den Schulversuch der "Wiener Mittelschule" starten. Der Andrang war so groß wie noch nie, das haben wir in den letzten Jahren noch nicht erlebt. Es waren sehr viele Interessierte hier aus bildungsnahen Schichten, obwohl wir ja tendenziell eher viele SchülerInnen aus bildungsfernen und migrantischen Familien hier haben. Es ist zum Beispiel eine Mutter auf mich zugekommen und hat gesagt, dass ihr Kind hochbegabt ist. Sie will es aber nicht auf die "Sir Karl Popper Schule" schicken, sondern sie will, dass es in einer realitätsnahen Umgebung gefordert wird.

Wie sich der Schulversuch auf die Anmeldungszahlen auswirken wird, werden wir im Februar wissen. Das, was viele LehrerInnen befürchtet haben - dass wir weniger Schüler haben werden - wird wohl eher nicht eintreten.

derStandard.at: Es gab Kritik am Abstimmungsprozess über die "Wiener Mittelschule", da dieser zu vage geregelt sei. Wie haben Sie das an ihrer Schule gehandhabt?

Waschulin: Ich selbst hab mich auch darüber informiert, wie ich vorgehen soll. Aber es gab eben keine Vorschriften. Die LehrerInnen haben in einer Konferenz abgestimmt. Die Eltern hatten zwei Tage lang Zeit, ihre Stimme an der Schule abzugeben. Gleichzeitig waren das auch Sprechstundentage. Ungefähr ein Drittel der Eltern hat sich an der Wahl beteiligt.

derStandard.at: Glauben Sie, dass jetzt weitere AHS auf den Zug aufspringen werden?

Waschulin: Für heuer wird es schon ziemlich knapp. Aber an der Theodor Kramer Schule und in der Anton-Krieger-Gasse könnte die Neue Mittelschule möglicherweise auch noch eingeführt werden. An und für sich gibt es ja einige AHS-Direktoren, die damit starten wollen würden, aber die LehrerInnen sind nur schwer zu überzeugen.

derStandard.at: Was wird nächstes Jahr an Ihrer Schule anders sein?

Waschulin: Der Name bleibt gleich. Wir werden bis zum Start intensiv an der Verwirklichung unserer Vorstellungen arbeiten, denn der Schulversuch ist sehr flexibel gehalten, sodass man noch sehr viel anpassen und ausprobieren kann. Unsere Schule wird jetzt eine AHS-plus, weil wir wesentlich mehr Werteinheiten, mehr Lehrerbesetzung und zusätzlich einen eigenen Schulpsychologen und Lerncoaching haben. Was daran eine Verschlechterung sein soll, hat mir bislang noch niemand erklären können. (Teresa Eder/derStandard.at, 18.11.2008)