"MenschInnen" wurde am 17. November erstmals in Wien präsentiert. Dabei wurden KritikerInnen der Veranstaltung nicht nur am Betreten des Saals im Hotel Maria Theresia gehindert, sondern laut eigenen Angaben auch tätlich von einer Gruppe von Burschenschaftern und Neonaziskins angegriffen.

Cover: MenschInnen

Zugegeben: Langweilig wird einer beim Lesen von Barbara Rosenkranz' Abrechnung mit Gender Mainstreaming nicht. Stellt es doch, vor allem für Menschen mit dem - im Buch so fürchterlich gescholtenen "Gender Studies"-Hintergrund - ein seltenes Erlebnis dar, Namen wie Simone de Beauvoir, Judith Butler, Frigga Haug, Michel Foucault oder auch Jacques Derrida im Kontext einer rechten Weltverschwörungstheorie zu lesen.

Die langjährige FPÖ-Mandatarin Barbara Rosenkranz hat sich für "MenschInnen. Gender Mainstreaming. Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen" (erschienen im Ares-Verlag 2008) die Mühe gemacht, die theoretischen und "ideologischen" Wurzeln eines politischen Konzeptes zu entblättern, welches sich in ihren Augen anschickt, "den geschlechtslosen Menschen" in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen. Rosenkranz deckt auf, dass mit Gender Mainstreaming nicht, wie von der meinungsmachenden (nebenbei kinderlosen) "Elite" angegeben, die Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden soll, sondern deren Aufhebung. Zu verteidigen gilt es angesichts dieser geheimen Mission nicht weniger als Familie, Tradition und Vaterland.

Entdeckte Geheimnisse

Um diesen Argumentationsstrang zu verdeutlichen, begibt sich Rosenkranz auf theoretische Entdeckungsreise zu "Gender", einem Begriff, der in der Geschlechterforschung seit vielen Jahrzehnten zur kritischen Diskussion steht. Im Zuge ihrer rechten Aufarbeitung findet sie etwa heraus, dass es sich bei Genderstudies um keine richtige Wissenschaft, sondern um ein politisches Projekt handelt, GenderforscherInnen vor lauter Besessenheit auch vor Menschenexperimenten nicht zurückschrecken, die meisten GenderforscherInnen aus eigener Betroffenheit forschen (Stichwort Homosexualität und andere Perversionen) und KritikerInnen der Geschlechtsauflösung gnadenlos verfolgt werden.

Sexuelle Konsequenzen

Der von Judith Butler geprägte "linguistic turn" in der Geschlechterforschung, also die Annahme, dass Geschlecht (sowohl in biologischer als auch in sozialer Hinsicht) sprachlich bzw. diskursiv geformt wird, hat jedoch auch enorme Auswirkungen auf die Sexualität der Menschen. Rosenkranz warnt, dass die "Genderideologie" neben der Heterosexualität auch die Zweigeschlechtlichkeit abschaffen wolle. Diese Normen wären für die "Hintermänner der Genderideologie" (traditioneller Sprachgebrauch trieb hier unfreiwillig komische Blüten) nichts weiter als gesellschaftliche Indoktrinationen, die beendet werden müssen. Gender Mainstreaming geht es also laut Rosenkranz nicht um die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern in Wirklichkeit um die "Gleichstellung aller sexuellen Lebensformen". Ist denn das zu fassen?

"Von allen Bindungen befreit"

Letztendlich, und damit steht die wahre boshafte Zielrichtung von Gender Mainstreaming zur Debatte, hat dieser Ansatz zum Rückgang der Geburtenrate geführt, unter der westliche Industrieländer seit drei Jahrzehnten leiden. An diesem Punkt greift Rosenkranz interessanterweise die These von vielen linken Gender Mainstreaming-KritikerInnen auf, wonach die zunehmende Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt nicht mehr dem Gleichstellungsgedanken geschuldet ist, sondern viel eher den Anforderungen einer globalisierten Wirtschaft gehorcht. Der Bedarf an vielen (billigen) Arbeitskräften weicht einerseits traditionelle Rollenmuster auf und lässt Frauen zudem weniger Kinder bekommen, was vor allem Rosenkranz bedauert. Damit zeigt sich für die rechte Ideologin der Marxismus als "Urquell" der "Genderideologie", welcher ja ebenso bindungslose, gleiche Menschen zur konfliktlosen Integration in die Arbeitssphäre bevorzuge.

Angstbild Gender Mainstreaming

Mit "MenschInnen" liefert Rosenkranz eine selten so umfassend ausgebreitete Paranoia gegenüber alternativen Lebensformen in geschlechtlicher und sexueller Hinsicht. Wer die Presseaussendungen der FPÖ zu einschlägigen Themen kennt (etwa Pädagogik, Familienrecht oder auch Homosexualität), wird darin nicht viel Neues entdecken.

Wirklich empörend ist, dass die in dem Buch präsentierten "Fakten" über weite Strecken haltlos sind - vor allem in Bezug auf die Grundaussage des Buches: Dass nämlich Gender Mainstreaming eine Herausforderung für die zweigeschlechtliche Ordnung der europäischen Gesellschaften darstellt. In den politisch relevanten Dokumenten zu Gender Mainstreaming gibt es eine Reihe von Definitionen zu Gender Mainstreaming, die sich zum Teil widersprechen, doch in keiner einzigen wird das Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit in Frage gestellt. Es entbehrt also jeder Grundlage, aus den Fassungen von Gender Mainstreaming eine politisch gewollte Geschlechtsnivellierung zu konstruieren.

Absichtliche Randerscheinung

In ideologischer Verblendung werden in dem Buch tatsächliche Fakten, nämlich die in fast allen politischen Bereichen vorhandene Ignoranz gegenüber der politischen Strategie Gender Mainstreaming als Indizien für ein bewusstes Verschleiern und absichtsvolles Taktieren der "Genderideologen" dargestellt: Diese würden bei der Eingliederung von Gender Mainstreaming "leise" agieren, "jeden Aufruhr" vermeiden und sich zuerst Randgebiete aussuchen, um das System dann weiter zu infiltrieren, heißt es in "MenschInnen". Jenen Frauenpolitikerinnen, die sich seit Jahren lautstark darüber beschweren, dass die Genderperspektive in den bestimmenden Politikbereichen (Wirtschaft, Finanzen) keinen Einlass findet, dürfte an dieser Stelle das Lachen im Hals stecken bleiben.

Über weite Strecken ist "MenschInnen" ein Lehrstück in Sachen ideologischer Umschreibung der Wirklichkeit. Ausgehend von Deutschland, wo die Rechten auf Gender Mainstreaming bereits seit zwei Jahren medial einschlagen, gibt es nun auch in Österreich eine rechte Positionierung zum Thema. Es zeigt: Feindbilder lassen sich konstruieren, auch wenn das Ziel des Angriffs noch eine so klägliche Bedeutung fristet. Über dem ganzen Projekt steht das große Fragezeichen, welche Motivation die Rechten zur ernstgemeinten Auseinandersetzung mit Butler und Co treibt. Fast sieht es so aus, als ob dem strammen politischen Bewusstsein der FPÖ bald selbst eine "diskursive Wende" ins Haus steht ... (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 23.11.2008)