Rom - Einen günstigeren Zeitpunkt hätte sich Roberto Perotti kaum wünschen können. Sein Buch "Die manipulierte Universität" platzte mitten in die Debatte über Italiens Hochschulmisere und stieg zum Bestseller auf.

Der Ökonom der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi zeichnet darin ein gnadenloses Bild der Anomalien im akademischen Lehrbetrieb Italiens. Die Widmung zu Beginn gibt die Stoßrichtung vor: "Dieses Buch ist tausenden von enttäuschten und ernüchterten Jugendlichen gewidmet, die ein perverses und ungerechtes System in zynische Staatsbürger verwandelt."

Detailliert schildert der Autor die Auswüchse des Nepotismus an zahlreichen Hochschulen, beschreibt die Methoden, mit denen Professoren ihre Angehörigen in den eigenen Unis platzieren: "Alle diese Wettbewerbe sind unanfechtbar. Es ist nicht ungesetzlich, wenn sich 14 von 17 Bewerbern plötzlich zurückziehen und wenn Freunde in Prüfungskommissionen die Sprösslinge von Freunden prüfen. Rein formell ist das alles in Ordnung" , resümiert Perotti, der lange an der Columbia-Universität in New York lehrte.

Akribisch zählt der Autor alle Bewerber auf, die das Kunststück schafften, ohne eine einzige Publikation zum Ordinarius aufzusteigen. Als Grundübel prangert er an, dass "Leistung an Italiens Universitäten nicht honoriert" werde: "Wer in Forschung oder Lehre Erfolge erzielt, wird nicht befördert. Misserfolg, Unfähigkeit und Fehlverhalten werden nie geahndet." Nur die Dienstjahre seien entscheidend für Karriere und Gehalt. Zu den "verlogenen Mythen" rechnet Perotti die Überzeugung, Klientelismus sei "nur eine Randerscheinung" und die Hochschulen seien "trotz einiger unbestreitbarer Unsitten international durchaus konkurrenzfähig" .

Selbstberuhigungsrituale

Fazit des Autors: Die Unis "driften (mit einigen Ausnahmen) immer mehr ab und suchen ihr Heil in Selbstberuhigungsritualen."

Den mächtigen Uni-Lobbys gilt Perotti ebenso als Nestbeschmutzer wie die 33-jährige Irene Tinagli, deren Buch "Ausverkauf der Talente" mit dem "Mythos der italienischen Kreativität" gründlich aufräumt. Für die Autorin der Uni Pittsburgh ist Italien ein innovationsfeindliches "Land im Stillstand" , das seine Talente zum Auswandern zwinge.

Ob die Bücher trotz konkreter Reformvorschläge in der verkrusteten Uni-Landschaft viel bewirken können, darf bezweifelt werden. Keiner der Reformversuche konnte Italiens Unis auf einen neuen Kurs bringen. Die von der Regierung Prodi eingeführte unabhängige Bewertungsbehörde wurde von Bildungsministerin Gelmini wieder abgeschafft.

Wie massiv diese Entwicklung das Ansehen der Unis beeinträchtigt, ist aus Vergleichen abzulesen: in den USA sind 20 Prozent der Studenten Ausländer, in Italien gerade mal 1,7. (mu/DER STANDARD Printausgabe, 27. November 2008)