Wien - In René Polleschs Geisterbahn, die Bert Neumanns Bühnenbild vom Vergnügungspark ins Akademietheater importierte, sind die Gäste die Monster, jene, die das Innere bevölkern, verkörpern das Menschliche. Einer der Perspektivwechsel, die Pollesch in seiner Uraufführung von Fantasma vornimmt: Rüsselgesichter und Orksköpfe grüßen ins Publikum, wenn sie aus der Schwingtür kommen. Im Dunkel dahinter, dort werden Erfahrungen gemacht!

In den Hinterzimmern der Geisterbahn herrscht Hochbetrieb: Kameras übertragen das Geschehen auf eine Leinwand nach vorn. Alte Diven stürzen über Stiegen, Kameras imitieren Verfolgungsjagden, Kabelträger und Souffleusen steigen einander auf die Zehen. Hier werden Erfahrungen gemacht und Standpunkte verhandelt.

Immer wieder brechen die Akteure durch einen Mauerspalt der Rustikalkulisse an die Rampe. Das gleicht Gedankenausbrüchen, die sich entlang High-End-Theoriematerial von Boris Groys bis Giorgio Agamben entwickeln. Vor allem geht es um den Begriff des Phantasmas nach Agamben, um Vorstellungsräume außerhalb der Realität. "Ich lasse mir meine Vorstellung nicht als Wirklichkeitsminderung diffamieren", lautet ein wiederkehrender Stehsatz.

Gespielt wird mit kühner Heiterkeit: Sophie Rois und Martin Wuttke überprüfen neben Sachiko Hara, Stefan Wieland, Hermann Scheidleder und Daniel Jesch die Gültigkeit der philosophischen Behauptungen in wechselnden Identitäten - etwa als Jane und Frank aus der US-amerikanischen Komödie Die nackte Kanone. Auch Ernst Lubitschs Madame Dubarry spielt eine dubiose Rolle. Oder: Die Liebe zwischen Frank (Wuttke akrobatisch in muffiger Livree) und Jane (Rois deklamiert als schönste automatische Diva) zerbröselt - frei nach Boris Groys - wie der chinesische Kommunismus.

Dieses Zerknüpfen-Können von vorderhand nicht Verknüpfbarem, die Beweglichkeit im Denken machen die Qualität Polleschs als Autor und Regisseur aus. Seine Stücke sind Gedankenaufrisse, die, in einer imposanten Geisterbahnfahrt geeint, schwieriger miteinander aufzulesen sind als es etwa noch im Das purpurne Muttermal war. Die Premiere wurde einhellig bejubelt - zu Recht. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 09.12.2008)