Graz - So richtig schön und effizient werden schmerzhafte Demütigungen doch erst mit Publikum. Das wusste wohl auch Edward Albee schon vor 46 Jahren, als er seinen sogenannten Bühnenklassiker Wer hat Angst vor Virginia Woolf ...? schrieb. Das Stück, das 1966 mit den in Hassliebe geschulten Hollywoodstars Elizabeth Taylor und Richard Burton verfilmt wurde, funktioniert immer noch. Am Wiener Burgtheater, seit Samstag nun auch am Grazer Schauspielhaus.

Obwohl es sicher auf eine Generation, die erst in den Vorwehen der freien Liebe lag, anders auftraf, kann das geschlossene System der privaten Hölle des Geschichtsprofessors George und seiner ihn verachtenden Frau Martha, die Tochter des Rektors von Georges Uni ist, noch immer fesseln, amüsieren und erschaudern lassen. Und wenn eine vor Hass und Schnaps geifernde Steffi Krautz als Martha und ein vor Zynismus und Angst stichelnder Dominik Warta als George ihr "Drecksloch", wie sie ihre Wohnung nennen, betreten, hat man schnell begriffen: Diese beiden Schauspieler haben ihre allzu bekannten Figuren mit frischem Blut vollgepumpt, das es zu vergießen gilt. Kein Vorbild muss hier gefürchtet werden.

Zu den strengen Spielregeln des amerikanischen Akademikerpaares gehört auch die serienmäßige Eskalation. Tom Kühnels Inszenierung baut genau auf diese Stärken des Karussells der Hassliebe. Obwohl fast jeder im Publikum weiß, wie alles endet, um neu zu beginnen, halten Warta und Krautz ihre Gäste in den samtroten Reihen genauso in Atem wie jene auf ihrer Couch, die sich langsam als ebenso große, nur jüngere Seelenzombies entpuppen.

Dabei überzeugt Caroline Eichhorst, der Kühnel ein facettenreiches, witziges und berührendes Spiel entlocken konnte, während sie sich als Putzi, die Frau des Biologen Nick, durch die Szenen kotzt. Julian Greis entblättert als Nick subtil die aalglatten Lackschichten des jungen karrieregeilen Kollegen, den George fürchtet.

Cognac, Gin und Opferungen

Für Jo Schramms Bühnenbild braucht man etwas Zeit, bis man es über die Funktionstüchtigkeit hinaus versteht. Das Thema der Fruchtbarkeit, unter der beide Frauen aus ganz verschiedenen Gründen leiden, ist als Wohnzimmerbar präsent. Doch aus den Brüsten dieser Venus von Willendorf fließt keine Milch, sondern Cognac und Gin - jener Stoff, mit dem Martha und George den unerfüllten Kinderwunsch betäuben. Die chinesische Wand mit Eingangstür verwandelt sich indes mitunter in eine Art Tempelfassade: Hier werden Menschenopfer gebracht - unter regem Applaus. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD/Printausgabe, 12.01.2009)