Die Finanzkrise, ausgelöst durch kaum noch zu durchschauende "Wertpapiere", die nichts mehr wert waren, ließ sofort die Rufe nach strengeren Regulierungen der Kapitalmärkte laut werden. Die Bemühungen darum wirken echt, sind aber - auch durch den Präsidentenwechsel in den USA - ein bisschen ins Stocken geraten.

Rennbahnen und Hypotheken

Wegen der Energiekrise, ausgelöst durch einen kaum noch zu durchschauenden Streit zwischen Moskau und Kiew um Lieferbedingungen und Kubikmeterpreise, sind nun hierzulande ebenfalls Rufe nach mehr Unabhängigkeit von russischem Gas zu vernehmen. Die Zwecke sind offensichtlich, aber die Mittel könnten sich beizeiten als falsch herausstellen.

Die von der OMV initiierte und von der EU unterstützte Gas-Pipeline Nabucco von der Kaspischen See nach Baumgarten bringt zwar die gewünschte Diversifizierung der Gasimporte, sorgt aber nur für neue Abhängigkeiten von Lieferländern, die auch nicht uneingeschränkt als sicher bezeichnet werden können. Die gerade in Bau befindlichen Gaskraftwerke sind ein Holzweg, ihre Errichtung sollte sofort gestoppt werden. Und Atomkraftwerke zu fordern, ist eine argumentative Sackgasse, aus der nur schwer wieder herauskommt, wer auch nur eine Sekunde lang an künftige Generationen denkt. Uran ist ein noch viel rareres Gut als Erdöl oder Erdgas, die kaum zu lösende Frage der sicheren Endlagerung der radioaktiven Abfälle ist eine schwerwiegende Hypothek für die Nachwelt. Nicht nur das falsche Pferd also, sondern die Frage, ob man nicht überhaupt für die Rennbahn schon ein bisschen zu alt ist.

Unbezahlbare Energiepolitik

Österreich war in der Vergangenheit Strom-Exporteur. Heute besteht bei Energie ein Außenhandelsdefizit, sprich: Strom muss aus dem Ausland zugekauft werden. Künftige Strafzahlungen wegen des Verfehlens der Kyoto-Ziele machen die verfehlte Energiepolitik schier unbezahlbar.

Die Forcierung erneuerbarer Energien, wie im nun angekündigten gleichnamigen "Masterplan" der Bundesregierung vorgesehen, ist der einzig vernünftige Weg. Die heimische Windenergieerzeugung könnte verdreifacht werden, auch die Wasserkraft, insbesondere die Kleinwasserkraft, hat noch enormes Potenzial. Im Jahr 2020 könnten so mindestens 90 Prozent des Stromverbrauchs in Österreich gedeckt werden, manche Experten glauben sogar an eine mögliche völlige Autarkie ab spätestens 2030. Ohne Einsparungen im Verbrauch wird das freilich nicht gehen, aber auch diese scheinen machbar.

Jetzt kommt es darauf an, diese ambitionierten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, wenn demnächst das russische Gas wieder fließt und auch die Wetten auf Nabucco irgendwann eine Zeitlang voll aufgehen. Mit der Aufforderung "Jetzt oder nie" sollte man zwar recht sparsam umgehen, insbesondere dann, wenn die Politik im Allgemeinen, eine österreichische Bundesregierung im Besonderen der Adressat ist. Schon jetzt wird in Europa aber jährlich mehr Windkraftleistung als Gaskraftleistung errichtet, Fantasielosigkeit gilt also auch hierzulande nicht mehr als Ausrede. Jeder Euro, der in die Energiewende investiert wird, ist gut angelegtes Geld. So richtig wie jetzt war die Zeit dafür noch nie. (Martin Putschögl, derStandard.at, 16.1.2009)