Ein Hofstaat gieriger Subjekte rückt einer Prinzessin (Dörte Lyssewski) wider Willen auf den Leib: Die Pariser Oper erinnert sich eines Stoffes von Witold Gombrowicz.

Foto: Walz/Opéra National de Paris

Die Uraufführung von Yvonne, princesse de Bourgogne von Philippe Boesmans und Luc Bondy im alten Pariser Opernhaus Palais Garnier ist vor allem ein aufwändiges visuelles Bühnenfest: mit gut ausgewählten, bestens geführten Sänger-Darstellern in glänzenden Kostümen und allerlei Glitzerschmuck für den Hofstaat des Königreichs Bourgogne.

Yvonne ist aber auch die hochgestylte, surrealistische Parodie einer Oper, in der die optischen Komponenten gewisse Musik- und Textschwächen kompensieren sollen. Das Klangforum Wien unter der Leitung von Sylvain Cambreling liefert das schrille, gewiss parodistisch gemeinte instrumentale Flickwerk, das der perfekte Chor und die exzellenten Solisten in kurzatmigen Wohlklang umsetzen.

Diese vierte gemeinsame Opernproduktion von Luc Bondy und Philippe Boesmans folgt dem Schema ihrer bisherigen Projekte: Die beiden wählen einen Stoff aus, den Bondy in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Marie-Louise Bischofberger zu einem Libretto umarbeitet, welches wiederum Boesmans als Vorlage für seine Partitur dient.

Nun, für die Auftragskomposition der (noch bis Ende der Saison von Gerard Mortier geleiteten) Pariser Staatsoper, entschied sich das Duo für Witold Gombrowicz' 1935 erschienenes, 1957 in Krakau uraufgeführtes Theaterstück Yvonne, princesse de Bourgogne. Bondy hat das schräg-schrille Stück schon einmal 1976 in Köln inszeniert. Boesmans' meist tonale Musik gibt sich bewusst "narrativ", wie es auch der Untertitel der Oper ("Tragische Komödie in vier Akten mit Musik") nahelegt.

Bei der Premiere sah man eine Groteske, die an Alfred Jarrys König Ubu erinnert. Vom Komödienaspekt und der "Einfachheit", die sich Gombrowicz neben einer gewissen "Rätselhaftigkeit" für seine absurde Vorlage wünschte, bleibt allerdings nur die lackglänzende Oberfläche. Die bloß einige Sätze sprechende Darstellerin der Yvonne, Dörte Lyssewksi - sie arbeitete auch an der Regie mit - bildet den "Antikörper" der Handlung. Aus einer Laune heraus beschließt der sadistische Prinz Philippe (Yann Beuron), sich mit der hässlichen und geistig zurückgebliebenen Yvonne zu verloben.

Abscheu und Hass

Diese Tat trägt den Keim des Sadismus in sich. Yvonne muss für den Hofstaat als Katalysator herhalten: Verlässlich weckt sie Abscheu und Hass. König Ignace (Paul Gay) und Königin Mathilde (Mireille Delunsch) ermorden im Verein mit dem Prinzen die stumme Yvonne mithilfe eines grätenreichen Fischgerichts, einer Karausche. Sie dient zugleich auch als Sarg der eilig zur Prinzessin proklamierten Yvonne.

Lyssewski, die bereits in Bondys Inszenierung von Botho Strauß' Schändung die übel zugerichtete Lavinia spielte, markiert die unglückliche Yvonne als pantomimisch agierende Gummipuppe. Doch übertreibt sie ihr Spiel derart, dass sie weder Mitleid noch Abscheu zu erwecken vermag. Boesmans' Oper vermeidet die große Emotion - und zeigt sich vielleicht gerade dadurch dem bösen Nihilismus des großen Gombrowicz im Kern verpflichtet. (Olga Grimm-Weissert aus Paris, DER STANDARD/Printausgabe, 27.01.2009)