Berlin - Die deutsche Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat zu mehr Gerechtigkeit bei der Bezahlung von Männern und Frauen aufgerufen. Mit einer Lohnlücke von 23 Prozent stehe Deutschland im EU-Vergleich auf einem "unrühmlichen siebtletzten Platz", sagte von der Leyen am Donnerstag in Berlin anlässlich des zweiten Aktionstags zu dem Thema am Freitag. Auch viele andere PolitikerInnen, die Feministiscihe Partei "Die Frauen" und Verbände forderten Maßnahmen für eine Lohn-Angleichung. 

Lohnstrukturen auf Diskriminierungen prüfen

Von der Leyen rief die deutschen Unternehmen dazu auf, ihre Gehaltstrukturen zu überprüfen und offenzulegen. Das Familienministerium entwickle derzeit eine Software, mit der Firmen ihre Lohnstrukturen auf Diskriminierungen hin prüfen können, sagte sie. Im Sommer werde dieses Programm allen Firmen kostenlos zur Verfügung stehen. "Kluge Unternehmen werden dies zur ihrem Vorteil nutzen", sagte die Ministerin.

Wenn eine Firma nachweisen könne, dass bei ihr allein die Qualität zähle und jeder gleiche Chancen habe, sei dies ein hoher Werbefaktor. Ebenso sei es jedoch unverzichtbar, dass die Politik die strukturellen Hürden für Frauen abbaue.

Vereinbarkeit

Die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei einer der drei Hauptgründe für die besonders große Lohnlücke in Deutschland. Weil Kindererziehung bisher stets Frauensache gewesen sei, brächten Frauen weniger Berufsjahre zusammen als ihre männlichen Kollegen. 

Nicht aufgewertete "Frauenberufe"

Ein weiterer Faktor sei, dass Frauen trotz gleich hoher Qualifikationen eher in schlecht bezahlten Branchen, Berufen und Positionen arbeiteten. Und drittens würden typische Frauenberufe schlechter bezahlt als typische Männerberufe. 

Ungeklärter Rest

Daneben bleibe jedoch ein "unerklärter Rest" an Gründen für die Lohnlücke, der in den Verantwortungsbereich der Wirtschaft falle, sagte von der Leyen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge verdienten beispielsweise Krankenschwestern im Schnitt hundert Euro weniger im Monat als Krankenpfleger. 

Appelle reichen nicht mehr

Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die Bundesregierung auf, konkrete Ziel- und Zeitpläne zur Beseitigung der Gehaltsunterschiede vorzulegen. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) forderte verbindliche Regelungen, mit denen eine gerechte Bezahlung eingeklagt werden könne, wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf eine Redevorlage des Ministers berichtete. Öffentliche Appelle reichten nicht mehr aus. Betriebsräte müssten das Recht haben, vom Arbeitgeber eine statistische Diagnose darüber zu verlangen, ob Frauen im Betrieb schlechter bezahlt werden als Männer. 

Keine ungleiche Bezahlung

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärte dagegen, Ursache der Lohnunterschiede sei nicht, dass gleiche Arbeit beim gleichen Arbeitgeber unterschiedlich entlohnt werde. Dies sei schon nach geltendem Recht unzulässig. 

Radikale Kürzung der Arbeitszeit

Die Feministische Partei "Die Frauen" sieht in der Wirtschaftskrise große Chancen für einen Umbau des derzeitigen  Finanzsystems und für eine Aufwertung der so genannten "Frauenberufe" einhergehend mit der Schließung der geschlechtsspezifischen Lohnschere: "Eine radikale Verkürzung der täglichen Arbeitszeit bei existenzsicherndem Lohnausgleich schafft neue Arbeitsplätze und mehr freie Zeit für Männer und Frauen - Zeit, die unseren Kindern und dem Menschen als Sozialwesen zur Verfügung steht", schlagen "Die Frauen" als Maßnahmen zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung am Donnerstag vor.

Österreich noch schlechter

Erhebungen der Europäischen Union zufolge liegt der Stundenlohn von Frauen in Deutschland um 23 Prozent unter dem der Männer. Der EU-Durchschnitt beträgt 17,4 Prozent. Schlechter als Deutschland stehen nur Zypern, die Niederlande, die Slowakei, Tschechien, Estland und Österreich da. Der Equal Pay Day wurde im vergangenen Jahr vom Frauennetzwerk Business and Professional Women (BPW) ins Leben gerufen, um gegen die Lohnunterschiede in Deutschland zu protestieren. Am Freitag sind bundesweit mehr als 180 Aktionen geplant. (APA/red)