Wien - Nicht ohne Grund dient eine gestanzte Papiermaske mit Gummiband als Eintrittskarte ins Odeon: Als Nachfolgeprojekt zur Barockoper Alcione, die vor einem Jahr Premiere hatte, realisierte das Serapionstheater mit Lorenz Duftschmid und dessen Ensemble Armonico Tributo Austria eine wundersame Masque.

Sie ist mit dem Verschmelzen von Geste, Tanz, Musik, Wort, Schminke und Szene der Vorläufer des durchkomponierten Musiktheaters. Die freie Masque aus der Zeit von Elisabeth I. um 1600 kommt der Intention des Serapionstheaters, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen, zupass: Als "Lords of Misrule" fügten Duftschmid und Erwin Piplits Instrumentalstücke und Arien der Renaissance-Zeit (etwa von William Byrd, John Dowland oder Antony Holborne) mit Texten und Sonetten zum harmonischen Ganzen.

Einem Zitat aus Christopher Marloes Doctor Faustus fügte Piplits bloß zwei Wörter an: Follow me, wie denn der Abend auch heißt. Und das Publikum folgte dem Impresario mit staunenden Augen in eine Spiegel-Welt der Emotionen: In dieser Masque of Temperaments, so der Untertitel, geht es um die Darstellung von Hass, Freude, Schmerz, Melancholie, Gnade und natürlich Liebe.

Man könnte Follow me auch als Zirkus bezeichnen (das Serapionstheater hat mit dem Cirque de Soleil durchaus Gemeinsamkeiten): Das Orchester ist nicht, wie bei Alcione, integriert, es spielt von einem Balkon aus - über dem detailreich bemalten Bodentuch von Max Kaufmann und Tonio Nodari.

Rasanter Tanz auf Heelys

Aber diese Masque ist nicht bloß eine nummernartige Abfolge von Szenen. Es wird vielmehr ein Bogen gespannt - von der Einsamkeit hin zur Gemeinschaft. Am Anfang trottet jeder der zehn Akteure allein den Lebensweg (eine Bahn aus Licht) entlang; zum Schluss tanzen sie mit Heelys - das sind Turnschuhe mit Rollen unter der Ferse - ekstatisch im Kreis. Dazwischen, quasi als dramatischer Höhepunkt, scheint alles vergeblich: Sieben brennende Luster stürzen von der Decke und begraben die Tänzer unter sich, darunter auch Ulrike Kaufmann, Piplits Partnerin. Natürlich flattern ihre kuttenartigen Kostüme wieder wunderbar, natürlich ist das Vokabular der Gesten und Figuren bekannt. Und doch vermag Piplits zu überraschen. Er drehte die Tribüne aus der Symmetrie, um neue, raffinierte Einblicke in die ehemalige Getreidebörse zu ermöglichen. Und geradezu atemberaubend ist die Fahnenschwingerei mit einer riesigen Klarsichtfolie, die schließlich zur Luftblase wird. Viel Jubel. (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 23.03.2009)