Elisabeth Fiege, geb. 1970 in Wien, lebt als Künstlerin, Autorin und Filmemacherin in Wien. Sie hat die Abschiedsexperten kuratiert.

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Herzstück des Projekts sind die Abschiedsexperten. Elisabeth Fiege hat sie in eineinhalb Recherche-Jahren gefunden. Wie, das sagte sie Margarete Affenzeller.


Wien - Am Freitag und Samstag  dreht das Burgtheater die Lichter zurück. Es verdunkelt seine Innenräume für das Projekt Symmetrien des Abschieds von Carmen Brucic und schickt sein Publikum mit angesteckten Pulslichtern durch das vielfältig bespielte Haus: Ein Abschiedsbriefschreiber wartet beispielsweise im ersten Rang auf Aufträge, ein sogenannter Abschied-Serenadomat komponiert persönliche Abschiedslieder.

Herzstück dieses als "Kongress" titulierten Kommunikationsprojektes sind aber die 125 Abschiedsexperten, die in den Logen ihr Publikum zu 25-minütigen Gesprächen erwarten. Elisabeth Fiege hat sie in eineinhalbjähriger Recherchearbeit gesucht und gefunden.

Standard: Wie haben Sie nach den Experten gesucht?

Fiege: Wir haben zunächst nach Themenfeldern gesucht, Geburt oder Tod, und danach die dazugehörigen Menschen. Manche Leute aber wollte ich von Anfang an dabeihaben.

Standard: Welche zum Beispiel?

Fiege: Zum Beispiel Brigitte Janker. Sie hat Lungenkrebs und lehnt jede schulmedizinische Behandlung ab. Es war bei der Auswahl viel Intuition dabei.

Standard: Der Begriff "Experte" definiert sich hier nicht nur über die eigene Profession?

Fiege: Richtig. Man darf darin sogar eine leicht satirische Note erkennen. Es kommen ja überall nur mehr "Experten" vor. Für uns aber ist jeder ein Experte seines eigenen Lebens. Wir wollten kein Who's who des intellektuellen Abschiednehmens kreieren, auch Prominenz war kein Kriterium, es war aber auch kein Hindernis.

Standard: Es gibt vier Abschieds-kategorien: Lebewohl, Abschied auf Zeit, Neubeginn und Aufbruch. Warum, und wie kam es dazu?

Fiege: Wir haben die Dinge zu uns sprechen lassen. Auch das Burgtheater als Stätte. Die "Symmetrien" entwachsen auch dem Haus und seinen Menschen. Wir haben mit einer Liste von vierhundert Personen begonnen, die wir nach und nach reduziert und geordnet haben. Die Kategorien sollen auch eine Orientierungsmöglichkeit für das Publikum sein.

Standard: Manche Experten sind keiner Kategorie zugeordnet. Zum Beispiel Klaus Bachler. Warum?

Fiege: Diese Experten wollten sich mehrere Abschiedsthemen offenhalten, weil die verschiedenen Phasen des Abschieds ja auch ineinandergreifen.

Standard: Wie würden Sie die Gespräche beschreiben?

Fiege: Wir erzeugen Aufmerksamkeit zwischen Menschen. Die Gespräche in den Logen bleiben der unangetastete Moment zwischen zwei Leuten; er wird nicht dokumentiert oder mitgeschnitten. Dieser altruistische Moment der Verschwendung ist das Wesentliche dieser beiden Abende.

Standard: Manche Themen auf der Liste haben vordergründig nichts mit Abschied zu tun, z. B. "soziale Intelligenz bei Raben".

Fiege: Das ist eines meiner Lieblingsgespräche. Es ist so: Man muss, soll, kann sich, wenn man dem Verhaltensbiologen Thomas Bugnyar zuhört, von sehr, sehr vielen Vorstellungen über die Verhaltensweisen von Raben verabschieden. Der Zugang zum Thema Abschied ist hier oft auch sphärisch.

Standard: Welche Experten würden Sie selbst buchen?

Fiege: Es war uns sehr wichtig, eine mögliche Hierarchie auszuschließen. Ganz toll finde ich z. B. die Kinderärztin und Neonatologin Marina Markovich oder Margarethe Lutz, die letzte lebende Patientin von Sigmund Freud. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.3.2009)