Für einen Neoliberalen macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob er sich im Denken eines linken Theoretikers verliert, oder im Weltall; beides übersteigt seine Vorstellungskraft. Das ist die wohlwollende Interpretation des gestrigen "Club 2"-Abends zum Thema "Droht ein neuer Klassenkampf?".

Die realistische ist: Es interessiert ihn schlicht und ergreifend nicht wirklich, ob es der Mehrheit der Menschen, die mit ihm diesen Planeten teilen, gut geht oder nicht. Diesen Vorwurf hätten die "Neoliberalen" der gestrigen Diskussionsrunde - der Publizist Christian Ortner sowie Böhler-Uddeholm-Vorstandschef und OeNB-Präsident Claus Raidl - freilich brüsk zurückgewiesen, wäre er ihnen an den Kopf geworfen worden. Der deutsche Politikwissenschafter Elmar Altvater, Christian Felber von Attac Österreich und die Theatermacherin und Polit-Aktivistin Tina Leisch verzichteten aber darauf, und vor allem die beiden Erstgenannten wurden nicht müde, Raidl und Ortner ruhig zu erklären, was ihrer Ansicht nach am herrschenden kapitalistischen System falsch sei. Geredet wurde über den Klassenkampf (Leisch: "Migration ist auch ein Klassenkampf"), über Manager-Gier und Massenarbeitslosigkeit, den dadurch gefährdeten sozialen Frieden, und welche Konzepte es dagegen gäbe.

Raidls und Ortners Bereitschaft, sich das alles auch nur anzuhören, schien jedoch enden wollend. Mit einer Wut im Bauch solle man besser zu Bett gehen, einmal darüber schlafen, gab Köhlmeier ganz zum Schluss eine dringende Empfehlung an die Zuschauer ab. Davor leitete der Schriftsteller die Diskussion solide und bedacht, hakte öfters nach, wenn eine Frage nicht beantwortet war, und konfrontierte Raidl und Ortner auch selbst mit seinen Gedanken.

Als über die von Felber zur Diskussion gestellten Einkommens- und Vermögensobergrenzen - etwa das 20- bis 30-fache des Mindesteinkommens, bzw. 7 Millionen Euro beim Vermögen - geredet wurde, forderte Ortner eine Klarstellung, wie er sich das denn genau vorstelle ("Was passiert mit dem darüber liegenden Verdienst?"). Hier hätte man sich zumindest vom Diskussionsleiter eine Art Beweislastumkehr gewünscht: Ortner hätte erklären müssen, wozu denn ein einzelner Mensch tatsächlich so viel Geld brauchen sollte. Wäre er darauf um eine Antwort nicht verlegen gewesen, hätte noch süffisant nachgebohrt werden können: Stellt es denn keine astreine Geringschätzung der Top-Manager dar, sie dauernd nur über ihre Spitzengehälter zu definieren?

Anstatt über solche und andere Fragen sinnstiftend zu diskutieren, wurden von Raidl und Ortner die Argumente der "Linken" in der Runde mehrmals als "schlicht falsch" abgekanzelt und sogar zwei-, dreimal die "DDR-Keule" ausgepackt - nur drei Buchstaben, aber ein Totschlag-Argument in jeder Diskussion. Als Raidl plötzlich unzusammenhängendes Zeug über den Nationalsozialismus von sich gab, musste man sich als Zuseher fragen, ob der Mann auf seinem Posten als oberster Repräsentant einer gerade in diesen Tagen so wichtigen staatlichen Institution wie der Nationalbank der Richtige ist.

In ihrem dogmatischen, fantasielosen und nicht im geringsten selbstreflexiven Festhalten an zumindest hinterfragenswerten Positionen erinnerten Ortner und Raidl jedenfalls selbst viel mehr an die DDR, als ihnen lieb sein konnte. (Martin Putschögl, derStandard.at, 9.4.2009)