Wien - Der Bologna-Prozess beschäftigt die Universitäten seit 10 Jahren. Anlässlich der Präsentation des österreichischen "Berichts über den Stand der Umsetzung der Bologna-Ziele" gab sich Bundesminister Johannes Hahn (ÖVP) zuversichtlich: "Österreich ist überdurchschnittlich unterwegs. Wir werden 2010 die vollständige Umstellung erreicht haben", so Hahn. Derzeit seien 7 von 10 Punkten der Bologna-Erklärung erreicht.

Anteil ausländischer Studierender einer der höchsten

Mittlerweile werden in Österreich 82,5 Prozent der an Universitäten angebotenen Studienrichtungen als Bachelor- bzw. Master-Studien durchgeführt, an den Fachhochschulen sind es 97,5 Prozent. Insgesamt studieren an den Universitäten bereits 40,3 Prozent aller Studierenden nach dem Bologna-System, an den Fachhochschulen gar 78,9 Prozent.

17,9 Prozent der Studierenden absolvieren im Laufe ihres Studiums einen geförderten Auslandsaufenthalt, der Anteil ausländischer Studierender ist mit aktuell 22,5 Prozent einer der höchsten der EU.

Die "formale Umstellung" sei das eine - so Minister Hahn - , die "gelebte Praxis in Hinblick auf die Curricula das andere", meinte Hahn. Durch die Autonomie der Universitäten unterscheiden sich die Curricula der Ausbildungsstätten stärker als früher, was die Mobilität zwischen den Universitäten erschwert. Die Mobilität finde vermehrt zwischen Bachelor und Master statt, anstelle von Auslandssemestern während des Studiums.

Problem: Bachelor

Eines der Probleme, das im Zuge der Umstellung entstand, ist die geringe Akzeptanz des Bachelors. Geht es nach Hahn, so sollen 50 Prozent der Bachelor-Absolventen Erfahrungen in der Praxis sammeln, bevor sie weiterführende Masterstudiengänge machen. Lediglich 50 Prozent sollen langfristig direkt einen Master an ihren Bachelor anhängen. Aber: Derzeit steigen nur 12,8 Prozent nach dem Bachelor ins Berufsleben ein, der Großteil davon stammt von Fachhochschulen. Um diesem Problem entgegen zu wirken, wird es im Herbst eine Info-Kampagne für den Bachelor geben, der den Einstieg in den Beruf bewerben soll und Arbeitgeber auf Bachelor-Absolventen hinweisen soll.

Doch gerade im Öffentlichen Dienst selbst gelten Bachelor-Absolventen im Besoldungsschema nicht als Akademiker. Derzeit wird über die sogenannte "A-Wertigkeit" des Bachelors zwischen Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die für den Öffentlichen Dienst zuständig ist, und Minister Hahn verhandelt. "Es hat noch nicht gefunkt", so Bundesminister Hahn. Sein Ziel ist es aber, dass für Bachelor-Studenten ebenfalls die A-Wertigkeit gelte, wenngleich dies mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein dürfte. Im Bundeskanzleramt wurde deswegen auch eine Umfrage in den Ministerien gestartet, die ermitteln soll, in welchen Bereichen Bachelor-Absolventen eingesetzt werden könnten. Die größten Baustellen dürften hierbei bei den Lehrern und den Offizieren sein.

ÖH lädt zum Protest

Die Studierendenvertreter kritisieren den Umstellungsprozess, der ihrer Meinung "unkoordiniert" verlaufe. Um auf die Probleme - die vor allem bei den Studienplänen, den unterschiedlichen Umsetzungen der Vorgaben durch die Universitäten und dem ECTS-System liegen - hinzuweisen, findet Dienstag ein fraktionsübergreifende Aktion vor dem Wissenschaftsministerium statt.

Auch ein vor wenigen Tagen veröffentlichter Bericht der European Students Union - "Bologna with student eyes" - schätzt Österreichs Fortschritt geringer ein als Minister Hahn. So habe Österreich neben Deutschland, Serbien und Slowenien die Errichtung des zweigliedrigen Bachelor-/Master-Systems noch nicht zur Gänze umgesetzt bzw. in Gesetze gefasst - vor allem beim Medizinstudium, den Lehramtsstudien und Rechtswissenschaftlichen Studien gibt es hier noch Probleme. Weiters fehlt zurzeit eine Reform des Doktorat-Studiums, die jedoch ab dem Wintersemester 2009/10 erfolgen soll.

Nächste Tagung in Österreich-Ungarn

Die nächste Ministertagung, bei der ein zukünftiger Fahrplan für die europäische Hochschulpolitik beschlossen werden soll, findet im März 2010 in Österreich und Ungarn statt. Dann wird sich zeigen, inwiefern der Bologna-Prozess wirklich abgeschlossen sein wird. (Sebastian Pumberger, derstandard.at, 27.4.2009)