Zlatko Topèic spricht "Über Grenzen".

F.: Zeidler

Wien/Sarajewo - "Solange ein Autor nicht übersetzt ist, existiert er nicht": Das gilt nicht nur für südosteuropäische Theaterautoren, die der Dramatikwettbewerb Über Grenzen sprechen im deutschen Sprachraum bekanntmachen möchte; es gilt umgekehrt natürlich genauso für österreichische und deutsche Autoren. Sogar für die ganz großen. Wenn also im Juni in Tirana Thomas Bernhards Macht der Gewohnheit auf die Bühne gebracht werden soll, so muss der Text erst rasch noch übersetzt werden - und es wird dies die erste große Bernhard-Veröffentlichung auf Albanisch sein.

Wie sollte Thomas Bernhard auch nach Albanien kommen? Mit Über Grenzen sprechen richtet sich der Wiener Regisseur und Initiator des Projektes, Christian Papke, jährlich gezielt an ein anderes Land. Aus den eingereichten Theaterstücken wird ein Siegertext ermittelt und ins Deutsche übersetzt, seit heuer auch an sämtliche deutschsprachigen Theater geschickt und in einer Erstauflage von 10.000 Stück in Wien verteilt. Der solchermaßen für den deutschen Sprachraum entdeckte Dramatiker erhält ein Preisgeld.

Gezielte Förderung sei wichtig, sagt Papke. Er investiere alle Gelder, die ihm durch die österreichischen Projektträger, das Außenministerium und den Pen-Club zur Verfügung stehen, in einen Autor. So erhalte dieser zumindest reelle Chancen, außerhalb seiner Originalsprache Fuß zu fassen.

Nach Mazedonien, Serbien, Kroatien und zuletzt Bosnien-Herzegowina wird die Aufmerksamkeit 2009 also auf Albanien gerichtet. Die Länder-Schwerpunkte liegen dicht beieinander: Nach einem Wien-Besuch des Siegers 2008, des bosnischen Autors Zlatko Topèic, letzte Woche fällt im Mai der Startschuss für die albanischen Autoren, die dann bis Jahresende ihre Texte nebst einer englischen Rohfassung einreichen können.

Parallel dazu, als Teil dieses theatralen Kulturenaustauschs, die Bernhard-Produktion in Tirana (Premiere am 20. 6.): Ein österreichisches Kreativteam arbeitet unter Papkes Regie mit albanischen Schauspielern. Idealerweise komme durch die von Über Grenzen sprechen geförderte binationale Beziehung also ein Stimmentausch zustande. Dieses Jahr soll Topèics I don't like Mondays nicht nur beim Mess-Theaterfestival in Sarajewo zu sehen sein, sondern im Herbst auch in Wien gastieren.

Topèic, der das moderne Kammertheater in Sarajewo leitet, fasst in seinem Stück die immer wiederkehrende Erfahrung des Krieges zusammen. Im Gespräch hält er sich nicht lange bei den künstlerischen Aspekten seiner Arbeit auf. Topèic erzählt Anekdoten, Geschichten aus den Kriegen, die er und sein Vater, beide in Konzentrationslagern, erlebt haben. Und er plädiert für Anteilnahme an der "gefährlichen Lage" seiner Heimat; auch dafür, Bosnien als EU-Anwärter ernst zu nehmen: "Bosnien liegt auf einer Weltengreze", sagt er. Es könne Europa immerhin seine Multikulturalität bieten.

Die Protagonisten in seinem Stück harren in der Stube eines Wiener Konsuls. Eine Mozartkugel, so Topèics Pointe, bringt den Flüchtenden ihr Zielland näher: Ihn habe seit Antigone der Umgang mit feindlichen Gräbern interessiert, und Mozart wurde schließlich in einem Massengrab beigesetzt. Auch das eine Verbindung in den Westen. (Isabella Hager/DER STANDARD, Printausgabe, 29. 4. 2009)